Nicole Siller begleitet Menschen durch die herausfordernden Phasen ihres Lebens. Die diplomierte Psychologische – und Unternehmensberaterin, Mediatorin, Beziehungs- und Sexcoach hat sich nach einem Burnout selbst neu orientiert. Im Jänner erschien ihr erstes Buch. Im Interview erklärt die Autorin, was es damit auf sich hat.
Access Guide Magazin: Mit welchen Problemen sind Sie in Ihrer Praxis als Beziehungs- und Sexcoach am häufigsten konfrontiert?
Nicole Siller: Zu mir kommen Menschen, die sich selbst wieder besser verstehen und spüren wollen. Das sind vor allem Frauen, aber auch Männer, die Frauen verstehen wollen, oder Paare, die mehr Tiefe in ihre Beziehung bringen möchten. Nur wer sich selbst gut wahrnimmt und kennt, kann sich auf einen anderen Menschen einlassen. Die eigenen Wünsche zu kennen stärkt außerdem das Selbstbewusstsein.
Access Guide Magazin: Wie ist Ihnen der Schritt in die Selbständigkeit gelungen?
Nicole Siller: Ich kann da nur jedem raten, dort anzuknüpfen, wo man aufgehört hat. Ich selbst war 25 Jahre im Tourismus tätig. Die Kontakte aus dieser Zeit pflege ich immer noch und ich nutze die Synergien, die sich daraus ergeben. Auf dem Weg in die Selbständigkeit ist es außerdem wichtig, sich ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen. Das gelingt, indem man sich auf seine Fähigkeiten und Vorlieben konzentriert. Finanzielle Ressourcen schaden auch nicht und es ist gut, sich über mögliche Förderungen zu informieren.
Access Guide Magazin: Ihr aktuelles Buch ist ein Praxisbuch für die weibliche Sexualität. Wie können Frauen davon profitieren?
Nicole Siller: Im Unterschied zu anderen Ratgebern dieser Art ist es ein leicht zu lesendes und kurzweiliges Buch, das Wissen vermittelt und Geschichten erzählt. Der umfangreiche Praxisteil ist eine Einladung, das eigene Sexualleben neu zu entdecken und zu erforschen. Ich habe versucht, ein Motivationsbuch zu schreiben, für alle erwachsenen Frauen und Männer, die ihr Leben lustvoller gestalten wollen – abseits von Leistungsdruck und Gefallsucht – um so mehr Selbstwert zu kreieren. Wir können so viel mehr selbst gestalten als wir denken!
Access Guide Magazin: Welche Zwänge und Einschränkungen legen sich Frauen trotz sexueller Revolution immer noch auf?
Nicole Siller: Durch die 1968er-Bewegung ist die Frau freier aber gleichzeitig noch mehr zum Objekt geworden, als davor. Was uns als sexuelle Befreiung verkauft wurde, war letztlich von männlicher Phantasie geprägt. Aber sicher hat die Pille viel dazu beigetragen, dass sich Frauen unbeschwerter ausleben können. Leider gilt aber auch heute noch vielfach, was Friedrich Nietzsche vor mehr als hundert Jahren gesagt hat: „Das Glück des Mannes heißt: ich will. Das Glück des Weibes heißt: er will“. Umso wichtiger ist es, dass Frauen selbst-bewusster erfahren dürfen, was ihnen selbst gefällt und nicht darauf warten, ob sie gefallen.
Access Guide Magazin: Letzteres ist in Zeiten von Instagram & Co. aber wieder zu einer Leistungsdisziplin geworden, der sich vor allem Mädchen und Frauen unterwerfen. Welche Exit-Strategien gibt es da?
Nicole Siller: Eine Gegenstrategie für jeden Menschen, aber natürlich auch für Mädchen und Frauen wäre es, sich im realen Leben gegenseitig mehr Komplimente zu machen und einen liebevolleren Umgang zu pflegen, statt sich gegenseitig kritisch zu mustern. Auch das Spiel von Nähe und Distanz will gelernt sein. Es muss möglich sein, einem Menschen nah zu kommen, ohne übergriffig zu sein.
Ich rate dringend davon ab, gerade auch junge Mädchen und Frauen, intime Fotos zu verschicken – auch nicht, wenn sie verliebt sind. Es gibt zu viele schmerzhafte Beispiele dafür, wie solche Fotos dann missbraucht und weitergeschickt werden.
Access Guide Magazin: Was sind die größten Hindernisse für ein glückliches Miteinander in Beziehungen?
Nicole Siller: Ein Hauptfaktor in unserer schnelllebigen Zeit ist der Stress. Im Berufsleben müssen wir immer funktionieren und generell verschiedene Rollen im Leben spielen. Das führt oft dazu, dass man sich daheim gehen lässt, wenn man zum Beispiel den Ärger des Tages am Partner ablädt. Es hilft, wenn man sich bewusst qualitative Auszeiten zu zweit nimmt. Das kann einmal wöchentlich sein – oder einmal im Monat. Wichtig ist dabei, einander zuzuhören und einander wahrzunehmen. Statt zu kritisieren ist es zudem besser, Wünsche zu äußern. Sonst geht es einem wie dem Pärchen mit der Semmel: 30 Jahre lang überlässt der Mann seiner Frau die obere Hälfte der Semmel, weil er glaubt, dass sie die lieber mag. Und die Frau selbst verzichtet ihm zuliebe genau so lang auf die untere Hälfte, die sie eigentlich lieber hätte – bis sie eines Tages darüber reden. Viele Missverständnisse können vermieden werden, wenn man Wünsche klar formuliert.
Access Guide Magazin: Danke für das Gespräch.
Das Buch von Nicole Siller gibt es hier.