Peter Wittkamp ist ein lustiger Mensch. Er schreibt Gags für deutsche Comedy-Formate oder konzipiert witzige Imagekampagnen. Daneben berät er Unternehmen und Agenturen, wenn sie etwas Kreatives, Humorvolles oder Digitales machen möchten. Dennoch leidet er seit über 20 Jahren an Zwangsstörungen. Darüber hat er ein Buch geschrieben. Auf humorvolle, aber auch berührende Art und Weise berichtet er, welche Komplexe und Zwänge ihn plagen. Er erklärt was Zwänge überhaupt sind und worin der Unterschied zwischen harmlosen Ticks und ernsthaften Zwängen besteht und schildert, wie er versucht, sich immer und immer wieder aus den scharfen Zähnen seiner Zwangsstörung zu befreien.
Wittkamps erster Zwang tauchte auf, als er 16 Jahre alt war. Er hatte Angst, sich selbst oder andere mit Bakterien, Viren oder Ähnlichem anzustecken. Als Gegenmaßnahme fing er an, seine Hände zu waschen und zu desinfizieren – ziemlich oft: „Ein Waschzwang ist einer der Zwänge, der für Außenstehende noch einigermaßen nachvollziehbar ist. Denn sehr viele ganz ,normale´ Menschen haben Angst vor Keimen und Ähnlichem und waschen sich lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Der Unterschied zu Personen mit einem Waschzwang ist: Bei Letzteren nimmt das Waschen enorme Ausmaße an“, schreibt Wittkamp im Vorwort zu seinem im Vorjahr erschienenen Buch „Für mich soll es Neurosen regnen“.
Im Extremfall stehen Menschen mit einem Waschzwang stundenlang am Waschbecken. Bei Wittkamp selbst waren es „nur“ 40 Waschgänge täglich. Immer noch extrem genug, dass sich körperliche Folgen einstellten. Denn wenn Hände sehr oft mit Seife in Kontakt kommen, werden sie rau und rissig. „Besonders schlimm wurde es, wenn es draußen kalt war, oder bei starker Belastung der Hände. Ich hatte damals häufig Volleyball gespielt und musste ansehen, wie die Haut meiner durch das viele Waschen trocken gewordenen Hände regelmäßig einriss und immer wieder ein wenig Blut zum Vorschein kam, wenn ich einen Ball annahm“, schreibt Wittkamp. Lange Zeit versuchte er seine Zwänge vor anderen zu verbergen. Doch er wollte sich auch nicht vollkommen von seinem Zwang unterjochen lassen: „Ich war jung, voller Energie … Ich wollte verstehen, viel sehen, erfahren, bewahren“, so Wittkamp. Seine Lust auf Abenteuer und Abwechslung war größer als der Zwang.
Allmählich lernte er wieder, dass überhaupt nichts passiert, wenn er für ein paar Stunden auf seine übertriebenen Reinigungen verzichtete. Mit 18 Jahren hatte er seinen Waschzwang halbwegs im Griff. Aber dabei blieb es nicht. Die Zwänge kamen mit der Zeit wieder. Nicht sofort und unmittelbar, eher schleichend. Und sie wurden in den vergangenen 20 Jahren immer stärker und vergrößerten ihr Einflussgebiet auf nahezu alle Bereiche von Wittkamps Leben. „Kaum etwas in meinem Alltag ist heute zwanglos“, schreibt der Autor. Dennoch hat er gelernt, mit seinen Zwängen umzugehen. Gelungen ist ihm das mit Hilfe eines Therapeuten, den er „viel zu spät, aber immerhin – vor einigen Jahren dann auch endlich aufsuchte“. In seinem Buch erzählt Wittkamp, wie er gemeinsam mit seinem Therapeuten Ordnung in das Dickicht seiner Neurosen zu bringen versucht. Und er schreibt auch darüber, welche Mittel helfen können, damit sich erst gar keine Neurosen dauerhaft einnisten.
Peter Wittkamp, Für mich soll es Neurosen regnen, Verlag Randomhouse