Urtikaria gehört weltweit zu den häufigsten Hautkrankheiten. Betroffen von Nesselsucht sind Kinder und junge Erwachsene beiderlei Geschlechts – ältere Frauen haben doppelt so häufig einen chronischen Verlauf als Männer. Die Ursachen der Erkrankung sind noch nicht zur Gänze erforscht. Es handelt sich in jedem Fall um eine Unverträglichkeitsreaktion. Das Gewebshormon Histamin spielt dabei eine wichtige Rolle. Es wird durch verschiedene Auslöser vermehrt freigesetzt, was die Quaddelbildung und den oft quälenden Juckreiz auslöst. Die Begleiterscheinungen von Urtikaria gehen aber weit über die körperlichen Symptome hinaus und können gravierende Folgen für das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Betroffenen haben.
Eine der Betroffenen ist Silvie Gross. Ihre Leidensgeschichte begann vor 12 Jahren: „Die Beschwerden kamen ganz plötzlich über Nacht. Eines Morgens war mein Körper mit geröteten, schmerzhaften Quaddeln übersät“, erzählt Gross. Ihre gesamte Hautoberfläche war betroffen, der Juckreiz war enorm. Dazu kam ein schmerzhaftes Brennen. Jede Bewegung, jede Haltung und sogar das Liegen tat weh. Im Krankenhaus wurde die junge Frau sofort mit Antihistaminika und Cortison behandelt. „Die Ärzte vermuteten damals eine Allergie, aber sämtliche Tests brachten keine Ergebnisse. Die Ursache für meine Urtikaria konnte nicht festgestellt werden.“
Während die Nesselsucht früher dem allergischen Formenkreis zugeordnet wurde, geht man heute davon aus, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt. Beteiligt an einer Urtikaria sind die Mastzellen in der Haut. Sie spielen im körpereigenen Abwehrsystem eine wichtige Rolle, sind aber auch bei manchen Allergien beteiligt. Das macht die Suche nach dem Auslöser einer Urtikaria oft besonders schwierig. Die Auslöser für einen Urtikaria-Schub sind oft sehr individuell. Es können zum Beispiel bestimmte Nahrungsmittel sein. Auch Stress jeder Art kann die Krankheit verschlechtern.
In Österreich haben rund 8000 Menschen einen schweren, chronischen Verlauf. „Die Dunkelziffer ist aber sehr hoch. In Deutschland sind 800 000 Menschen an Urtikaria erkrankt und die Tendenz ist steigend“, sagt Silvie Gross. Vor zwei Jahren gründete sie aus einer Selbsthilfegruppe heraus den Urtikariaverband Österreich. „ich habe bereits in der Betroffenengruppe gemerkt, dass es eine unglaubliche Erleichterung ist sich mit Leidensgenossen auszutauschen.“, sagt Gross.
Bei schweren Verläufen kommen zu den Quaddeln und dem Juckreiz noch Angiödeme dazu. „Die Schwellungen im Gesicht sind besonders unangenehm und verschwinden wochenlang nicht. Man ist dann entstellt, fühlt sich miserabel und die Bewältigung des Alltags wird schwierig“, weiß Gross. Auch im zwischenmenschlichen Bereich sei die Nesselsucht extrem belastend. „Während eines Krankheitsschubs erträgt man es nicht, berührt zu werden, das verunmöglicht jede Intimität“, so Gross. Dazu kommen Schlafstörungen, weil die Wärme im Bett den Juckreiz noch verstärkt. Diese psychische Belastung kann zu Depressionen oder Angststörungen führen. „Nicht wenige Betroffene haben durch die Urtikaria ihre Arbeit verloren, weil die Krankenstände oft zu lange dauern. Mir ist es zum Beispiel auch so gegangen“, sagt Gross.
Beschwerdefrei leben
Bei der Behandlung von Urtikaria sind auch die Betroffenen selbst gefordert: „Man sollte sich mit seiner Erkrankung auseinandersetzen. Jeder muss seinen Weg finden, um mit der Nesselsucht umzugehen“, sagt die Gründerin des Urtikariaverbands. Wichtig sei es, sich selbst zu beobachten: „Worauf reagiere ich sensibel, was tut mir gut? Als Verein sind wir die erste Anlaufstelle für Betroffene. Wir werden von der Österreichischen Gesundheitskassa gefördert und arbeiten mit einem Team an ExpertInnen zusammen, darunter praktische- und Hautärzte“ sagt Gross. Sie selbst lebt mittlerweile – nach fünf Jahren mit Urtikaria – beschwerdefrei.