Erfahrung als Chance

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Die Gesellschaft wird zunehmend älter und seit einigen Jahren erreicht auch die Generation der Babyboomer nach und nach das Pensionsalter. Dass diese Entwicklung tiefgreifende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat, wird schon lange vermutet. Eine aktuelle Umfrage bestätigt nun: Das Thema Erwerbsarbeit in der Pension wird auch aus Sicht der Unternehmen in Zukunft an Relevanz gewinnen. Neben hinderlichen Rahmenbedingungen stellt aber die Stigmatisierung von Pensionist*innen eine große Hürde in der Praxis dar. Die Zahl der älteren Arbeitnehmer*innen wächst und auch der Anteil der erwerbstätigen Pensionist*innen nimmt in Österreich zu. Im Sommer 2020 hat Deloitte in Kooperation mit dem Social Business Vollpension über 200 Unternehmen sowie 250 Personen ab 60 Jahren zu Erwerbsarbeit im Alter befragt. Unter Senior Hires versteht man erwerbstätige Personen über 60 – unabhängig davon, ob diese Personen bereits eine Alterspension beziehen.

Die Befragung belegt auch, dass 90 % der Unternehmen damit rechnen, dass die Erwerbsarbeit in der Pension an Bedeutung gewinnen wird. „Die Zusammenarbeit mit pensionierten Arbeitnehmern bietet den Unternehmen eine Möglichkeit, dem anhaltenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ein einseitiger Fokus auf junge Arbeitnehmer wird in Zukunft nicht ausreichen”, erklärt Elisa Aichinger, Director bei Deloitte Österreich. Die Relevanz des Themas wurde zwar erkannt, in der Praxis mangelt es jedoch noch am entsprechenden Angebot: Sowohl 71 % der Unternehmensvertreter*innen als auch 86 % der befragten Personen ab 60 Jahren glauben, dass Jobangebote für Senior Hires der Nachfrage nicht gerecht werden. Der Arbeitsmarkt kommt aber bereits in Bewegung: 84 % der befragten Unternehmen geben an, Personen über 60 zu beschäftigen, fast die Hälfte der Betriebe arbeitet bereits mit Pensionierten zusammen.

Umdenken gefragt

Der Begriff Pension scheint mit einem Stigma belegt Julia Krenmayr Mitgründerin der Vollpension. © Mark Glasser

Julia Krenmayr, Mitgründerin der Vollpension: „Der Begriff Pension scheint mit einem Stigma belegt zu sein“. © Mark Glasser

Die Umfrage unter den Unternehmen zeigt aber auch: Insgesamt wird pensionierten weniger zugetraut als nichtpensionierten Personen über 60. So sorgen sich 23 % der Unternehmensvertreter*innen über eine verminderte Leistungsfähigkeit der Pensionierten. Die Hürden bei der Beschäftigung von pensionierten Personen werden zudem deutlich höher bewertet als bei nichtpensionierten älteren Arbeitnehmer*innen. „Wir sehen, dass die Begrifflichkeiten beim Thema Arbeiten im Alter eine essenzielle Rolle spielen: Nur 11 % der Unternehmen sehen aktuell einen Mehrwert darin, Pensionisten zu beschäftigen – bei Senior Hires im Allgemeinen sind es hingegen 25 %. Der Begriff Pension scheint mit einem Stigma belegt, das fest in unseren Köpfen verankert ist“, so Julia Krenmayr, Mitgründerin der Vollpension. Das bekommen die pensionierte Erwerbstätige direkt zu spüren: 27 % sehen in dieser Stigmatisierung eine Hürde in ihrem Arbeitsalltag. Eine weitere große Herausforderung ist für 31 % der pensionierten Erwerbstätigen das komplexe Steuerrecht. „Gerade auf steuerrechtlicher Ebene mangelt es sowohl bei Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern an Klarheit. Hier gibt es dringenden Optimierungsbedarf“, ergänzt Elisa Aichinger.

Generell überwiegen für die befragten Personen über 60 jedoch die positiven Aspekte im Zusammenhang mit der Erwerbsarbeit während der Pension: Über die Hälfte verbindet damit Fitness, Mobilität sowie die Aufrechterhaltung und Pflege sozialer Beziehungen. Auch das Thema Selbstverwirklichung und Sinnstiftung spielt eine wichtige Rolle. Allerdings geht auch jeder Dritte davon aus, dass ein Zuverdienst während der Pension finanziell notwendig ist. Die aktuelle COVID-19-Pandemie stellt die älteren Arbeitnehmer*innen in diesem Punkt vor Herausforderungen. Für die Mehrheit der Befragten gelten nämlich trotz des erhöhten gesundheitlichen Risikos keine Sonderregelungen am Arbeitsplatz. Für die Unternehmen bietet die Beschäftigung von Personen über 60 Jahren vielseitige Chancen: Vor allem die Möglichkeit des Wissenstransfers und Erfahrungsaustausches (89 %) sowie der Ausgleich personeller Engpässe (45 %) wird dadurch ermöglicht. Die Potenziale der Zusammenarbeit mit Senior Hires wird von jenen Unternehmen höher eingestuft, die damit bereits Erfahrung gesammelt haben.

„COVID-19 stellt den österreichischen Arbeitsmarkt gerade vor große Herausforderungen. Das Potenzial von generationengemischten Teams sollte gerade in der Krise nicht aus den Augen verloren werden. Denn ein diverser Arbeitsmarkt ist nicht nur resilienter, sondern auch wichtig für ein funktionierendes Sozialsystem. Es braucht gezielte Initiativen seitens der Politik, um die Teilhabe älterer Personen am Erwerbsleben zu erleichtern und so den Austausch zwischen Jung und Alt zu fördern“, betont Elisa Aichinger abschließend.

Studie Erwerbsarbeit im Alter in Österreichs Unternehmen.