Die schwere wirtschaftliche Krise als Folge der Covid-Pandemie hat zehntausende Wienerinnen und Wiener ihre Jobs verlieren lassen. Momentan sind in der Bundeshauptstadt mehr als 173.000 Menschen auf der Suche nach Arbeit. AMS-Wien-Chefin Petra Draxl erklärt im Interview, wie die erzwungene Arbeitspause mit der passenden Weiterbildung genutzt werden kann.
Access Guide Magazin: Was haben Sie bis jetzt aus der Coronakrise gelernt?
Petra Draxl: Vor allem haben wir beim AMS Wien in diesen Monaten sehr viel Krisenmanagement gelernt, und was dazu gehört: Dass es in einem solchen Fall mehr denn je eine klare Führung mit klaren Vorgaben braucht. Und es hat auch den Blick geschärft für die engen Zusammenhänge zwischen gesundheitspolitischen Umständen und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.
Access Guide Magazin: Wie verändert es die Gesellschaft, wenn ein Großteil der Bevölkerung arbeitslos ist?
Petra Draxl: Naja, es ist ja nicht ein „Großteil“ der Wiener Bevölkerung ohne Arbeit, sondern um die 18 Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Aber natürlich ist das auch ein enormer und viel zu hoher Anteil. Was es bedeutet? Nun, dass wir aufpassen müssen, dass sich die Arbeitslosigkeit nicht bei vielen Menschen verfestigt, dass sie in die „Inaktivitätsfalle“ geraten, mit der die Arbeitslosigkeit sehr häufig einhergeht. Unsere Aufgabe ist uns zu überlegen, wie wir Arbeitslose so unterstützen, dass sie rasch in Beschäftigung kommen, sobald das wieder möglich ist. Da geht es auch darum, die Zeit der Arbeitslosigkeit zu nutzen.
Access Guide Magazin: Wie wichtig sind jetzt Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen?
Petra Draxl: Genau das ist gemeint, die sind gerade jetzt besonders wichtig. Natürlich weiß die oder der Einzelne nicht, was in einem halben Jahr sein wird, aber eines ist schon klar: Viele Menschen sind derzeit zu einer Arbeitspause gezwungen. Sie zu nutzen, um eine bessere Qualifizierung, einen höheren Formalabschluss zu haben, sobald die Wirtschaft wieder anspringt, ist auf jeden Fall eine gute Idee. Weil es dann einfach einen Startvorteil bedeutet. Wer sich dafür interessiert, dem sei unsere neue „Weiterbilden-Hotline“ unter 050 904944 ans Herz gelegt. Hier beraten speziell geschulte Kolleginnen und Kollegen über die Möglichkeiten von Lehrausbildung, Umschulung und Upskilling über das AMS Wien, denn natürlich verändert sich die Arbeitswelt.
Access Guide Magazin: Wie wird die Arbeitswelt nach Corona ausschauen?
Petra Draxl: Sie wird nicht in allen Teilen eine völlig andere sein, in manchen aber doch. Vor allem in Bereichen ökologischer Jobs, in Gesundheitsberufen und nicht zuletzt in der Digitalisierung wird sie sich nachhaltig verändert haben.
Access Guide Magazin: Die Krise hat der Digitalisierung einen enormen Schub verliehen. Welche Jobchancen ergeben sich daraus?
Petra Draxl: Es werden sich daraus ganz sicher neue Berufsfelder ergeben, das hat sich ja schon lange vor der Krise abgezeichnet, etwa im Bereich Datenmanagement. Und es werden sich vorhandene Berufsfelder mit der Digitalisierung verändern – das wird wohl auf die meisten zutreffen, auch im Gesundheitsbereich. Wir sehen, dass noch nicht alle unsere Kundinnen und Kunden gut auf die Digitalisierung vorbereitet sind: Das ist ein Punkt, an dem wir ganz sicher ansetzen werden.
Access Guide Magazin: Experten sagen für 2021 eine Flut von Insolvenzen voraus. Wie ist das AMS darauf vorbereitet?
Petra Draxl: Ob es in Wien tatsächlich so viele sein werden, sehen wir noch nicht. Die großen Fragen sind: Wie lange dauert diese gesundheitspolitische Krise und alles, was mit ihr zusammenhängt, noch? Und wie gut sind die Maßnahmen zur Abfederung der Probleme, die sie mit sich bringt?
Access Guide Magazin: Wird es durch die Pandemie zu einem Wertewandel kommen.
Petra Draxl: Zumindest hat sie uns vor Augen geführt, welcher Werte wir brauchen: dass es darum geht zu schauen, was für die Gesellschaft und andere Menschen gut und wichtig ist und nicht nur für mich selbst. Das beginnt beim Maske-Tragen, geht über die Impfbereitschaft und endet bei Handreichungen für jene, die momentan auf unsere Hilfe angewiesen sind.
Access Guide Magazin: Danke für das Gespräch.