Bald ist der Frühling da und die Natur erwacht zu neuem Leben. Jetzt macht die Sonne wieder Appetit auf leichte Kost. In den Geschäften gibt es nun schon das erste junge Gemüse wie Karotten, Radieschen, Rhabarber, Porree oder Spinat. Und noch üppiger ist das Angebot in der freien Natur: Die Wiesen sind übersät von zahllosen Gänseblümchen, der Giersch wuchert und überall blüht der Löwenzahn. Im Wildkräutergarten lassen sich ganz neue Aromen und Geschmacksnuancen entdecken. Außerdem sind viele Wildpflanzen um einiges reicher an Inhaltsstoffen als „normales“ Gemüse. Der Vitamin C-Gehalt von Löwenzahn ist zum Beispiel um ein Vielfaches höher als der eines Lollo Rosso.
Wildpflanzen sind sogenannte Kulturfolger, sie wachsen gerne in der Nähe von Siedlungen und Dörfern und an den Rändern von Wegen oder Wäldern. Auf Feldern und in Gärten machen sie den Kulturpflanzen Konkurrenz. Was bei Gärtnern als lästiges „Unkraut“ gilt, ist aber gleichzeitig oft ein wohlschmeckendes Wildgemüse. Aus der Spitzenküche sind die „wilden“ Zutaten inzwischen nicht mehr wegzudenken. Und auch im privaten Küchenalltag sorgen frische Wildkräuter für eine Extraportion Geschmack auf dem Teller. Und noch einen positiven Effekt hat das Kochen mit wilden Zutaten: Auf der Suche nach Blüten, Blumen oder Kräutern in der Natur macht man Bewegung und bekommt jede Menge frische Luft.
Gegessen wird, was in der Stadt wächst
Eine ausgewiesene Expertin für Wildpflanzen ist Alexandra Maria Rath. Die diplomierte Vital- und Ernährungstrainerin kennt die Stadt Wien von ihrer grünsten und schmackhaftesten Seite. Wo immer es sprießt und blüht, ist sie vor Ort, pflückt und sammelt essbare Wildpflanzen, um sie zu köstlichen Gerichten zu verarbeiten. So wird aus den Veilchen vor der Hermesvilla Sisis feines Veilcheneis, dem Löwenzahn aus dem Tiergarten Schönbrunn die herrliche Löwenzahntorte, dem Giersch vor Schloss Belvedere die bekömmliche Giersch-Taboulé oder aus Wiener Wald-Bärlauch flaumige Nockerl. Über den Bärlauch ranken sich ja viele Legenden. Eine davon besagt, dass der Name von Bären stammt, die dieses Lauchgewächs als erstes nach dem langen Winterschlaf zu sich nahmen. Für den typischen Knoblauchgeruch des Bärlauchs ist übrigens Allicin verantwortlich, eine Schwefelverbindung, die blutdruck- und cholesterinsenkend wirkt. Außerdem hat es eine leicht antibakterielle Wirkung. Wegen seines Schwefelgeruchs war die Pflanze früher in Klöster verboten, weil sie mit dem Teufel in Verbindung gebracht wurde. Während der beiden Weltkriege diente Bärlauch als Spinat-Ersatz der Wiener Bevölkerung. Bärlauch kann aber auf vielfältige Weise zubereitet werden. Er passt überall, wo sonst Knoblauch oder Zwiebel zum Einsatz kommt. Er ergibt ein hervorragendes Pesto, die Knospen oder auch die Samen, in Essig eingelegt, sind ein toller Kapernersatz, er passt zu Nudeln, in Risotto, in Aufstriche, als Salz, blanchiert als Gemüse, frisch im Salat und harmoniert in Nockerln aller Art. Das unten stehende Rezept stammt aus Alexandra Raths Buch „Wildes Wien“. Darin finden sich noch weitere 50 wilde Gerichte zum Nachkochen. Das Buch ist vor kurzem im Gmeiner Verlag erschienen.
Bärlauch -Ricotta -Nockerl mit Blüten-Salat
Zutaten Nockerl: 90 g Bärlauch Zeste und Saft einer 1⁄2 Zitrone 50 g Parmesan 250 g Ricotta 2 ganze Eier 100 g Mehl 20 g Brösel schwarzer Pfeffer Salz 2 EL Butter 2 EL Parmesanhobel. Zutaten Blüten-Salat: Blätter und Blüten nach Wahl, z. B. Blätter vom Scharbockskraut (keine Blüten!) Blätter und Blüten von Bärlauch, Veilchen, Gundelrebe, Primel, Gänseblümchen, Taubnessel, Klee ein paar Spritzer Zitronensaft hochwertiges Olivenöl Salz. Zubereitung: Bärlauch waschen, trocken tupfen. Sehr fein hacken oder mit einem Stabmixer pürieren. Geriebenen Parmesan, Ricotta, Eier, Mehl und Brösel in eine große Schüssel geben. Verrühren. Den gehackten Bärlauch hinzufügen. Zitronenzeste in die Schüssel reiben. Den Saft der halben Zitrone dazugeben. Alles gut verrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Einen großen Topf mit mindestens 3 Liter Wasser zustellen und zum Kochen bringen. Gut 1 Teelöffel Salz dazu. Ein Häferl mit Wasser neben den Kochtopf stellen. 2 Esslöffel in das kalte Häferl-Wasser tauchen und damit Nockerl abstechen. Vorsichtig in das leicht siedende Kochwasser geben. Wenn sie an der Oberfläche schwimmen noch 2–3 Minuten weiter ziehen lassen. Mit einem Knödelschöpfer herausnehmen, gut abtropfen lassen.
Auf einen Teller legen. Mit brauner Butter übergießen und gleich essen oder in einer beschichteten Pfanne Olivenöl erhitzen. Die Nockerl vorsichtig hineinlegen und von allen Seiten goldbraun anbraten. Sie sollten halbwegs trocken sein, da es sonst heftig spritzt. Auf Teller anrichten, mit einem Schuss Olivenöl oder brauner Butter übergießen. Mit Parmesanhobeln servieren. Dazu passen jegliche gebratene Nüsse und der Blütensalat.
Vorsicht ist die Mutter der Wildkräuterküche
Gesammelt werden sollte immer nur gemeinsam mit Wildpflanzen-Spezialisten oder wenn man sich selbst sehr gut auskennt. Es gibt nämlich auch sehr giftige Pflanzen in Österreich. Manchmal schauen vermeintlich essbare Pflanzen den giftigen Vertretern sehr ähnlich. Gesammelt werden kann (fast) überall – auf den Wiener G`stettn, bei Freunden im Garten, auf Balkonen oder Terrassen oder in großen Parkanlagen, Wiesen und Wäldern. Nicht sammeln sollte man dort, wo es verboten ist – zum Beispiel in Schutzgebieten oder im Nationalpark. Wildkräuter sammeln erfordert auch Vorsicht und Achtsamkeit. Man soll nur soviel nehmen, wie man isst.