In fünf Tagen ebenso viele Städte inklusive deren Sehenswürdigkeiten abzuklappern nur um „been there, done that“ ins digitale Fotobuch schreiben zu können, bringt sicherlich viele Eindrücke, aber kaum Erholung oder nachhaltige Reiseerlebnisse. Ganz zu schweigen von bleibenden Erinnerungen. 2013 veröffentlichte der britische Reiseschriftsteller Dan Kieran mit „Slow Travel“ ein viel beachtetes Buch zur „Kunst des Reisens“. Kieran propagiert darin seine Philosophie des Reisens, die sich jenseits von Massentourismus und Top-Ten-Attraktionen abspielt. Für den Autor bedeutet Langsamkeit keine Einschränkung, sondern die Rückkehr zum eigentlichen Sinn des Reisens, nämlich in die Welt einzutauchen, statt darüber hinwegzufliegen. Das Access Guide Magazin hat recherchiert, wo man in Europa genussvoll und langsam reisen kann. Spanien ist momentan eines der angesagtesten „Slow Travel“ Ziele. Dort wollen Reisende mittlerweile auch das Hinterland der spanischen Strand-Destinationen kennenlernen und abseits der Masse Geheimtipps entdecken. Für Rad und Wanderreisende werden in Spanien seit 1993 die „Vias Verdes“ kontinuierlich ausgebaut. Dabei werden über 7600 km stillgelegte Bahnstrecken sukzessive in Wander- und Fahrradwege umgewandelt.
Dem Wunsch nach Rückzug in die Natur hat sich auch der spanische Öko- und Agrartourismus verschrieben. Der „turismo rural“ bietet entzückende Unterkünfte im Hinterland mit viel Kontakt zu Land und Leuten. Die spanische Gastronomie ist ja „per se“ fast zu 100% „slow food“ und spiegelt das Lebensgefühl der Spanier wider, bei dem der Genuss und das Familiäre im Vordergrund stehen. Langsamkeit wird aber nicht nur auf dem Land, sondern auch in den spanischen Städten groß geschrieben. Zu den „Cittá slow“ zählen u.a. Pals und Begur an der Costa Brava, Lekeitio, Mungia und Balmaseda im Baskenland oder Begues in der Provinz Barcelona.
Immer schön langsam
Gegründet wurde die „Slow City“-Bewegung in Italien, dem Mutterland der kulinarischen „Slow Food“ Bewegung. Die Anhänger der Slow-City-Bewegung fordern Autoverbote in Innenstädten und die Verbannung von Fastfoodketten und Supermärkten. Kleinstädte sollen durch Einhaltung strikter Regeln ihre traditionelle Struktur erhalten können. Die erste „Cittáslow” Italiens war im Jahr 1999 das kleine Chianti-Dorf Greve in der Toskana, dazu kamen später Bra, Positano und Orvieto. Mit der Zeit breitete sich die Langsamkeitswelle auf immer mehr Orte aus, 42 sind es in Italien, und auch in Großbritannien, Spanien, Portugal, Österreich, Polen, Norwegen und Deutschland gibt es mittlerweile Städte, die sich an dem strengen Slow City-Kriterienkatalog orientieren.
Ideale Orte für den Rückzug sind die Agriturismi, jene stilvoll umgebaute Bauernhöfe in kleinen Ortschaften, in denen Gäste Natur, Ruhe und gutes Essen aus lokalen Produkten und Erzeugnissen genießen können. Viele Bauernhöfe sind nach alter Tradition nach wie vor landwirtschaftliche Betriebe, in denen die Urlauber in familiärem Ambiente aufgenommen und in den Alltag des Landlebens einbezogen werden. Andere Betriebe finden sich wiederum in historischen Landgütern. Sie bieten den Gästen luxuriöse Unterbringungen. Zahlreiche Betriebe offerieren Weinproben und Verkostungen von regionaltypischen Spezialitäten aus eigener Erzeugung an, die auch direkt erworben werden können.
Genussland Italien
Jede Region Italiens hat ihre ganz eigenen Spezialitäten und Gerichte. Trüffel in Umbrien und Piemont, Käse- und Wurstspezialitäten wie z.B. aus der Emilia-Romagna, Pesto nach ligurischer Tradition oder sizilianische Gaumenfreuden mit arabischen Einflüssen. Die kulinarische Vielfalt in Bella Italia ist enorm und basiert immer auf ursprünglichen Erzeugnissen, oftmals mit geschützter Herkunftsbezeichnung. Natives Olivenöl, regionales Gemüse und fangfrischer Fisch sind feste Bestandteile der italienischen Küche, fördern nachweislich die Gesundheit und gehören zu den Basisprodukten der so genannten Mittelmeerdiät, die die UNESCO zum Welterbe erklärt hat. Italien ist mit seiner Vielfalt an regionalen Küchen, von bodenständig bis preisgekrönt, ein Mekka für Genussmenschen und bietet darüber hinaus mit unzähligen kulinarischen Festen, den so genannten sagre, reichlich Gelegenheit, die lokalen Spezialitäten zu verkosten. Auch für Naturliebhaber hat unser südlicher Nachbar einiges zu bieten. Die insgesamt 24 Nationalparks und zahlreiche weitere regionale Naturschutzgebiete Italiens bieten einen Urlaub im Einklang mit wilder und üppiger Natur. Touristen können hier einen umweltfreundlichen und nachhaltigen Urlaub verbringen, der zahlreiche Outdoor-Aktivitäten anbietet. So lädt die lokale Pflanzen- und Tierwelt zu geführten Wanderungen, Trekking- und Mountainbike-Routen oder individuellen Entdeckungstouren ein. In den großflächigen Nationalparks leben viele vom Aussterben bedrohte Tierarten, darunter der Appeninwolf und der Braunbär.
Naturnah urlauben
Frankreich hat im Bereich „Slow Tourism“ ebenfalls einiges zu bieten – ob mit dem Hausboot, dem Fahrrad, zu Fuß oder mit dem Pferd. Die Vielfalt der Landschaften und der hohe Bekanntheitsgrad Frankreichs als Reiseland machen es zu einer der Topdestinationen für Ökotourismus. In Frankreich wird das Angebot im Bereich Slow Tourism bereits seit längerem konstant weiterentwickelt. Mit mehr als 10.000 km an Radrouten und sogenannten „voies vertes“, darunter sehr bekannte wie die Vélodyssée entlang der Atlantikküste oder die Loire à Vélo im Loiretal der Schlösser, ist Frankreich nach Deutschland die zweitwichtigste Destination für Radtourismus. Bis 2020 soll das französische Netz insgesamt 21.000 km Radrouten betragen. Wanderer finden in Frankreich 65.000 km Fernwanderwege und rund 115.000 km Spazier- und Wanderwege. Zu den bekanntesten zählen die Tour du Mont Blanc, der GR20 durch Korsika und natürlich die verschiedenen Jakobswege, die viele internationale Touristen anziehen.
Mit dem Hausboot durch Frankreich
Frankreich gilt als die Destination schlechthin für Urlaub am Hausboot. Mehr als 8.500 km Wasserwege bilden das dichteste schiffbare Netz Europas und bieten somit Hobbykapitänen eine Vielfalt an Möglichkeiten. Diese Form von Urlaub wird immer beliebter, insbesondere bei Touristen aus den Nachbarländern Frankreichs (2012 kamen 68% der Hausbooturlauber aus dem Ausland). Eine der schönsten Hausbootdestinationen ist der Canal du Midi, der von Toulouse bis ans Mittelmeer führt. Er gehört seit 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe.