Du brauchst mich doch!

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Was wäre, wenn meine Depression zu mir sprechen könnte? Das hat sich Anna* überlegt und für das Access Guide Magazin darüber geschrieben:

„Hallo! ich bin es, deine Depression. Dunkel, schwarz, düster, niederdrückend, auffressend, verzehre ich mich nach deinem Körper, deinen Gedanken und Gefühlen. Ich schleiche mich mal mehr, mal weniger an dich heran. Ich fühle mich wohl bei dir, denn in den Momenten in denen du traurig bist und lange grübelst, bin ich schon bei dir. Kannst du dich noch an den Tag erinnern, an dem du so niedergeschlagen warst? Es hat mal wieder irgendetwas nicht geklappt. Auweia warst du fertig mit den Nerven! Und plumps, war ich da. Ich umgebe dich wie eine kräftige dunkle Wolke, lege mich wie ein Schleier um deine Silhouette und ich fresse mich in dich hinein und durch dich durch.

Manchmal sehe ich auch aus wie ein Dämon und nicht wie eine Wolke, das sind dann die Zeiten in denen es dir richtig dreckig geht. Und deine Gedanken nicht mehr in die richtige Richtung geraten. Total unheimlich, aber mich stört es ja nicht, da ich diese dunkle und schon fast bösartige Wolkendecke bin oder eben der Dämon. Ich erscheine immer dann, wenn es dir mies geht, du am Verzweifeln bist, du gar nicht mehr ein und aus weist, dir nicht mehr helfen kannst oder auch nicht weißt wie, wenn du mal wieder diese ganz, ganz schlimmen Selbstzweifel hast und dein Selbstwert noch mehr sinkt. Seien wir ehrlich, du brauchst mich doch! Sonst wäre ich gar nicht Teil deines Lebens. Letztes Jahr während der Lockdowns, war ich oft zu Besuch bei dir. Hui, das war vielleicht wild. Sogar ich dachte, ich hätte eine Depression und das heißt schon was. Aber nichts desto trotz hast du es mit kleinen Schritten geschafft mich dann auch mal los zu werden. Hat mich echt gekränkt muss ich sagen, aber dir hat es wohl gut getan. Bin ja nicht gerade ein idealer Umgang für die Menschheit“.

Von der Dunkelheit ins Licht

Im Laufe der Zeit hat Anna Strategien entwickelt, um die innere Düsternis, wie in dem folgenden Fall zu vertreiben: „Es war ein Tag, an dem ich mal wieder etwas nicht geschafft habe, nicht beenden konnte. An diesem Tag habe ich zwar nicht selbst aufgegeben – wie so oft, aber es hat sich genauso angefühlt. Morgens dachte ich mir nur, wozu aufstehen, bringt doch eh nichts. Der Tag ist jetzt schon nutzlos, weil ich nutzlos bin. Ich habe mich wieder mal runtergemacht, mich kleiner gemacht als ich eigentlich bin, ich dachte mir‚ ,ich bin ein Nichts, ein Niemand`. So ging das den ganzen Tag über. Dich braucht keiner, will keiner und du bist für nichts und niemanden gut. Egal was du tust, es funktioniert nicht, geht kaputt oder verschwindet einfach. Ich vergrabe mich dann gerne in Selbstzweifel, wenn die Depression da ist, mein Selbstwert sinkt auch und ich mache meine Person einfach nur schlecht. In diesen Momenten halte ich nicht viel von mir selbst und von der Welt. Mein Antrieb ist gleich Null, meine Motivation irgendetwas zu beginnen ebenso, ich werde innerlich so ,aufgefressen‘, dass es seelisch irrsinnig weh tut. Ja, so traurig es auch klingen mag, ich verachte mich dann richtig!

Auch wenn man die Wunden, die eine Depression hinterlässt, oft vielleicht nicht sehen kann: sie sind groß und gehen meist auch nicht so schnell wieder fort. Gegen Abend begleiten mich dieselben Gedanken wie tagsüber mit dem Zusatz, dass ich dann oft auch noch Schlafstörungen habe. Obwohl ich mich einerseits auf den nächsten Tag freue, da es ein neuer Tag ist, ein neuer Start, belastet mich die Möglichkeit, dass die trüben Gedanken weitergehen könnten und die Stimmung für‘s erste Mal so bleibt.

Da ich ein sehr strukturierter Mensch bin, habe ich oft einen kleinen Tagesplan mit Dingen die ich gerne für diesen Tag erledigt haben möchte. Doch an den Tagen, an denen meine Gedanken einfach nicht still sind und so dunkel wie schwarze Tinte, mach ich auch kaum etwas von dem Plan oder auch sonst nicht wirklich viel. Die Trägheit der Depression hält mich gefangen und schließt mich in diesen düsteren, finsteren Momenten ein. Anfangs bin ich gar nicht raus gekommen aus diesem Horror. Doch in diesem Frühling habe ich es immer mehr geschafft in meinen depressiven Zeiten auch etwas Helligkeit einzufügen.

Annas ,Fühl-Dich-wieder-etwas-freier Liste´

Sei gut zu dir selbst: Was ich meist mache um aus meinen Tiefs raus zukommen ist anfangs nicht ganz einfach, man muss es auch wollen und wenn man in diesem niedergeschlagenen, verzerrten Gedankenkarussell gefangen ist funktioniert das nicht so leicht und auch nicht gleich. Doch irgendwie habe ich es geschafft mir auch Gutes zu tun, damit es nicht mehr so weh tut, damit die Depression mich nicht auffrisst und starke Narben hinterlässt.

Entspannung: Mir hilft es, mich zu entspannen, es mir mit einem warmen Getränk und einem Buch gemütlich zu machen. Am liebsten lese ich Thriller oder Psychothriller. Die geben mir einen leichten positiven Kick.

Ein Date mit mir selbst funktioniert auch super. Ich koch mir dann oft was, trink einen Cider, mach mich etwas zurecht und genieße einfach nur die Zeit, die ich mir selbst schenke. Danach darf’s dann auch noch eine Crime-Doku sein, damit es auch noch etwas spannend wird. Ein Schaumbad nehmen gehört auch zu dieser Kategorie und ist so wichtig für die Seele!

In die Natur gehen: Um meinem Kopf auszulüften und die dunklen Gedanken loszulassen gehe ich gerne spazieren oder wandern. Tut mir und meiner Seele sehr gut!

Sport: Beim Badminton kann ich den ganzen miesen gemeinen Ballast abwerfen und hab auch noch Spaß dabei.

Lachen: Das hilft oft am besten. Ich liebe es laut und viel zu lachen, es tut einfach gut. Und wenn man dies mit jemanden teilen kann umso besser für die mentale Gesundheit.

Backen und Kochen ist auch etwas Kreatives für die Sinne. Dabei kann ich super abschalten.

Schreiben: Ich liebe es Wörter auf Papier zu bringen. Ich besitze wahrscheinlich genauso viele Notizblöcke wie Schuhe.

Mein Sorgenmonster: Eine enge Freundin hat mir zu meinem 26. Geburtstag ein Sorgenmonster geschenkt. Der Mund des Monsters ist ein Zip in dem ich meine Sorgen, die ich auf Papier notiert habe ,verschwinden‘ lassen kann.

Meditieren hilft nicht immer. Ich bin aber noch im Lernprozess.

Ich hoffe, dass alle Menschen, die mit einer Depression leben, auch an Tagen an denen es schwer ist, raus zu kommen aus diesen wirren Gedankenfetzen und dämonischen Gefühlen, auch wieder Licht sehen können und hie und da gute Stunden, Tage, Monate oder Jahre haben. Ihr seid nicht allein!“

Anna* (Name geändert) ist Teilnehmerin von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.