Das Gefühl der Grenzenlosigkeit

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Reisen mit Freund*innen können mitunter auch Streitigkeiten mit sich bringen. Diese Erfahrung machte Dino* vor einigen Jahren auf einem Urlaubstripp nach Griechenland.

„Korfu. Ich, meine zwei guten Freundinnen Ambra und Kristina und mein Freund Colin entschieden uns im Sommer 2016 nach Korfu zu fliegen. Schon vor der Abreise gab es Konflikte bezügliche der Hotelwahl, Ambra und Ich wollten ein angenehmes Zimmer ohne Luxus zu günstigem Preis ergattern und wir fanden ein schönes Hostel das perfekt in unsere Preisvorstellung passte, Kristina war dies leider nicht luxuriös genug und sie zeigte sich widerspenstig, stimmte dann aber doch zu.

Wir waren alle ganz schön aufgeregt, als der Tag der Abreise kam. Wir packten unsere Sachen zusammen, meine Mutter fragte mich zum hundertsten Mal ob ich die Jacke und den Pass eingepackt hätte und dann ging‘s endlich los. Wir trafen uns in meiner Heimatstadt Bregenz, wo wir dann mit dem Zug den Flughafen München ansteuerten. Im Zug gab es wieder den typischen besoffenen Fahrgast, der uns kurz belästigte und dann jedoch weiterzog um sich Nachschub zu holen. Endlich am Flughafen angekommen, mussten wir leider ewig in der Schlange warten. Ich hasse es zu warten und werde dabei immer super nervös und hibbelig. Colin und ich waren bereits leicht genervt von Kristinas selbstbezogenem Diva-Gehabe. Kristina kam aus einer reicheren Familie, weswegen sie auch jeden wissen ließ, dass Sie etwas Besseres war, oder sich zumindest dafür hielt. Ansonsten war sie aber ganz humorvoll und sie hatte auch etwas Eigenartiges an sich, das sie besonders machte.

Aber zurück zum Flug. Endlich saßen wir im Flugzeug und starteten los, es fühlte sich befreiend an, an einen neuen Ort ja sogar eine Insel zu reisen. Wir näherten uns dem Ziel und sahen gespannt aus dem Fenster. Da waren wir nun endlich in Korfu. Wir landeten und nachdem ich meine Freunde erst noch am Flughafen festhielt, um W-LAN zu bekommen, konnten wir endlich los. Im Bus mussten wir fragen, wie wir zum Hotel kommen könnten. Kristina prahlte mit ihrer C1 in Englisch, sprachlich nutzte ihr das aber nicht, denn der Busfahrer und wir verstanden das Wenigste von dem, was sie sagte. Im Hotel angekommen ging es weiter. Sie nörgelte über‘s Zimmer, wie heruntergekommen doch alles sei, wir versuchten uns nicht zu sehr von ihrem Geraunze beeinflussen zu lassen und wollten die Zeit genießen auch wenn‘s schwer war.

Korfu sah wunderschön aus mit seinen Felsen, dem tiefblauen Meer, und der grünen Landschaft. Wir borgten uns ein Auto aus und fuhren quer über die ganze Insel, auch wenn die eigenwillige Kristina sich plötzlich dazu entschied die Morgensonne zu verabscheuen und erst ab nachmittags raus zu gehen, nahmen wir darauf nicht wirklich Rücksicht. Trotzdem war durch Kristinas Gehabe die Gruppendynamik bereits leicht angespannt, aber es war trotzdem wundervoll durch‘s Land zu fahren, im Meer zu schwimmen und in der Sonne zu liegen und verliebt in die Augen meines Boyfriends zu schauen. Meine zwei Single Freundinnen waren leicht frustriert von unserem Pärchen-Gehabe und ließen uns das auch spüren. Als wir eines nachts von einem wundervollen Strandspaziergang zurückkamen, rastete Ambra aus. Sie sagte, wir würden keine Rücksicht auf sie nehmen und seien zu laut ins Zimmer gekommen. Da wurde ich wütend, weil wir extra leise gewesen waren.

Wir schrien uns an und Worte fielen, die uns alle sehr verletzten. Ohne den Konflikt zu klären, gingen wir wütend schlafen. Ab dem nächsten Tag hörten ich und meine Freundinnen auf miteinander zu reden, was den Urlaub extrem angespannt machte. Es entstanden zwei Teams: Ambra und Kristina gegen mich und Colin. Da wir immer noch mit einem Auto unterwegs waren. war es natürlich super-weird, aber wir waren alle zu stolz um nach einer erwachseneren Lösung zu suchen. Der Konflikt wurde durch weitere Missverständnisse noch verschärft, was dazu führte das Kristina drei Tage früher zurück nach Hause flog. Was im Nachhinein das Beste war, was uns passieren konnte. Es war, als ob eine schwere Nerv-tötende Last von unseren Schultern gefallen wäre, als ob sich ein Krampf löste und wir wieder frei atmen konnten. Die unangenehme Stimmung zwischen mir und meiner besten Freundin Ambra blieb leider weiter bestehen. Dennoch genossen wir die Insel in vollen Zügen und fuhren auf den wackeligen Straßen bis zum Ende der Insel zu den Klippen, wir wanderten den Berg hinauf und genossen die freie Aussicht.

Alles fühlte sich so grenzenlos an, von Wasser umgeben, die Meeresluft einatmend, die Schön,- und Vielfältigkeit der Insel eroberte unser Herz in Sekundenschnelle und das war einfach fucking delicous. Trauriger war, zu sehen wir krass das Müllproblem dieser Insel war, was allerdings den positiven Nebeneffekt hatte, dass Kristina sich durch den Schock entschied, langfristig auf Plastik zu verzichten und „Zero Waste“ zu werden. Die Tage vergingen und wir gewöhnten uns immer mehr daran und fragten uns, ob wir inzwischen ein Teil unserer neuen Umgebung waren. Wir machten eine Bootstour und tauchten durch‘s sonnendurchflutete Meerwasser. Die Farben, die Fische und die Stille unter Wasser gaben mir für einen kurzen Moment das Gefühl völlig frei und unbeschwert zu sein. Ich glitt durch‘s Wasser, kommunizierte mit den Meeresbewohnern und tauchte in eine neue Welt ein, weit weg von der Depression und den Neurosen die meinen Alltag sonst prägen. Ich wünschte, ich hätte die Zeit anhalten können, doch leider zog ein Sturm auf, der uns aus dem Paradies zurück in die Stadt der Konflikte wirbelte, voller Ausgrenzung und Einsamkeit”.

Dino (Name geändert) ist Teilnehmer von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.