Die Wohnungskrise breitet sich in den europäischen Städten aus und auch in Wien steigen die Mieten und Immobilienpreise rasant. Eine Alternative zum herrschenden Dogma „Wohnen als Ware und Kapitalanlage“ will die Baugruppe Bikes and Rails im Wiener Sonnwendviertel aufbauen.„Ökologisch, Solidarisch, Unverkäuflich“ lautet die Ansage der aus 27 Erwachsenen und 14 Kinder bestehenden Rad-begeisterten Projektgruppe, die beweisen möchte, dass langfristig kostengünstiger Wohnraum, ökologische Bauweise und solidarische Nachbarschaft im Haus und im Grätzel möglich sind.
Die üblicherweise benötigten Eigenmittel von rund 30 Prozent will die Baugruppe kollektiv und solidarisch finanzieren: „Durch Einlagen der Bewohner*innen, die es sich leisten können, und mittels privater Direktkredite, mit denen Unterstützer*innen dem Projekt Erspartes auf Zeit bei frei wählbarer Verzinsung zwischen 0-2 Prozent leihen können. Das schafft kostengünstige Mieten und erlaubt die Einrichtung von Räumen für soziale und kulturelle Anliegen ebenso wie die Beteiligung am Projekt unabhängig von individuellem Finanzvermögen“, erklärt Christoph Laimer von Bikes and Rails. Die Baugruppe möchte so den Begriff „Eigentum“ neu definieren: Weg vom Privateigentum, hin zum Nutzungseigentum.
Für Bikes and Rails begann nach 3jähriger Entwicklungsarbeit vor kurzem die heiße Phase: Im September erfolgte der Spatenstich – die Direktkredit-Finanzierung läuft auf Hochtouren: Stolze 940 000 Euro sind seit dem Start der Kampagne vor dem Sommer zusammen gekommen. Nun fehlen noch weitere 560.000 Euro. „Wir nehmen private Kredite ab 500 Euro. Außer Verwandten und Freunden unterstützen uns Menschen, die ihr Geld lieber in ökologisch und sozial sinnvolle Projekte investieren wollen, als es einer Bank zu geben und nicht zu wissen, was die damit macht. Bei uns sehen die Leute, was mit ihrem Geld passiert. Sie können an der Baustelle vorbeispazieren oder uns, wenn das Haus fertig ist, in unserem Café besuchen, dass es im Erdgeschoß geben wird“, sagt Laimer.
Wohnen für Generationen
Um das Haus für alle Zeiten gegen Immobilienspekulation zu sichern, ist Bikes and Rails Teil des habiTAT Mietshäuser Syndikats, einem Netzwerk solidarischer Hausprojekte in Österreich mit dem Ziel Häuser vom Markt freizukaufen. „Die Bewohnerinnen verwalten ihre Häuser selbst und bestimmen autonom über alle Fragen des Zusammenlebens im Haus. Das Haus wird von einer GmbH gekauft, an der der Verein Bikes and Rails (51%) und habiTAT (49%) als Gesellschafter beteiligt sind. HabiTAT hat ein Vetorecht gegen einen Verkauf des Hauses und kann somit jegliche Spekulation verhindern. Das Haus gehört sich schlussendlich selbst und wird hoffentlich vielen Generationen als Wohn- und Lebensraum zur Verfügung stehen. Die Mieten bezahlen alle laufenden Finanzierungs- und Nutzungskosten und enthalten einen ansteigenden Solidarbeitrag, mit dem das habiTAT-Netzwerk aufgebaut und die Unterstützung neuer Hausprojekte ermöglicht wird. Das wird besonders effektiv, wenn die Kredite abgezahlt sein werden“, erklärt Laimer.
Ökologische Bauweise
Architekt des Bauprojekts ist Georg W. Reinberg. Bikes and Rails wird als Passivhaus mit Solarstrom-Anlage am Dach errichtet. Das Hausprojekt umfasst Gewerbe- und Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss, 18 Wohneinheiten auf fünf Stockwerke verteilt sowie eine große gemeinsame Dachterrasse. Im Keller sind ein großer Fahrradraum und weitere Gemeinschaftsräume wie Werkstatt, Lagerräume und Proberaum untergebracht. Als Projekt für lebendige Nachbarschaft verfügt Bikes and Rails über Gemeinschaftsflächen, die als Begegnungsräume konzipiert sind und Mehrfachnutzungen erlauben.
Der im Erdgeschoss liegende Veranstaltungs- und Gemeinschaftsraum wird mit einer Küche ausgestattet und für alle Bewohner*innen nutzbar sein, um Treffen, Feste, Veranstaltungen und Versammlungen zu organisieren. Der Raum hat einen direkten Ausgang zum Garten. Er soll auch für Nachbar*innen sowie soziale, kulturelle und politische Initiativen zur Verfügung stehen. Den Namen Bikes and Rails hat sich die Initiative gegeben, weil das Grundstück neben dem Hauptbahnhof auf dem ehemaligen Gelände des Südbahnhofs liegt und weil den Bewohner*innen das Thema stadtgerechte Mobilität besonders wichtig ist. Dazu zählt vor allem auch das Fahrrad. Die zukünftigen Bewohner*innen nutzen das Fahrrad nicht nur im Alltag, es wird im im Erdgeschoss auch eine Fahrradwerkstatt geben. Der Name Bikes and Rails ist somit mehr als passend.
Informationen über die Möglichkeiten eines Direktkredites und noch mehr über Bikes und Rails gibt es hier.