Wie stellt sich Schizophrenie aus unterschiedlichsten Perspektiven dar? Die Autorinnen Lisa Kainzbauer und Brigitte Maresch lassen in ihrem Buch „Verrückte Welt“ Menschen zu Wort kommen, die eigene Erfahrungen mit dieser Erkrankung gemacht haben.
„Ich rede eigentlich selten über das gesamte Ausmaß von Schizophrenie. Meistens erzähle ich eher von den psychotischen Phasen mit der sogenannten Positivsymptomatik, bei der zum normalen Erleben zusätzliche Eindrücke hinzukommen“, schreibt Christoph über seine Erkrankung. Über die Zeiten danach, wenn die Negativsymptomatik mit Gefühlen wie Antriebslosigkeit oder Müdigkeit überwiegt, erzählt der Mitfünfziger weniger. Seine Familie warf ihm in solchen Phasen häufig vor „faul“ zu sein. Ein Psychiater erklärte Christoph dann, das sei nicht Faulheit, sondern Teil der Erkrankung. Diese Einsicht ermöglichte es ihm, wieder aktiver zu werden: „Ich kämpfte nicht mehr gegen mich selbst, sondern gegen die Krankheit“.
Alexander hatte häufig Halluzinationen: „Es war wie eine Mischung zwischen Wachsein und Schlaf. Ich hatte zum Beispiel Flügel und bin durch Maisfelder geflogen. Immer wieder sind Lichtwesen aufgetaucht und (…) alles war sehr chaotisch“, aber selten bedrohlich. „Die Ärzte haben mir dann gesagt, das sei etwas Psychotisches, aber ich wollte das nicht wahrhaben“.
Neben Betroffenen wie Christoph und Alexander kommen im Buch „Verrückte Welt“ auch Angehörige zu Wort, wie etwas Cynthia, die mit einer schizophrenen Mutter aufgewachsen ist: „Manchmal hat sie mir seltsame Geschichten erzählt (…) dass sie gesehen hat, wie der Hund durch den Geschirrspüler in den Garten gesprungen ist. Da dachte ich mir dann: Okay, komisch (…) Sie hat oft Stimmen gehört und konnte auch nicht mehr arbeiten gehen, weil sie sich nicht für längere Zeit konzentrieren konnte“.
Die Erkrankung Schizophrenie wird auch von Seite der Betreuenden beleuchtet wie etwa dem Psychiater Karl: „Seit Schizophrenie vor über hundert Jahren beschrieben wurde, werden immer wieder Subformen definiert (…) Für die Betroffenen ist es unterschiedlich schwer, die Symptome ihrer Erkrankung zu erkennen, weil es davon abhängt, inwieweit die betroffene Person schon gelernt hat, dass etwas Teil seiner Krankheit ist. Es macht einen Unterschied, ob jemand der absoluten Überzeugung ist, dass das, was er erlebt, die Realität ist, oder ob parallel noch eine ,zweite Buchhaltung‘ existiert, in der die Wirklichkeit noch Platz hat.“
Insgesamt wurden 15 Personen für das Buch interviewt. Sie alle steuern ihre Perspektive und auch Expertise bei und schaffen so die Möglichkeit, einen umfassenden Blick in die Welt der Schizophrenie zu erlangen. Ein wichtiger Bestandteil des Buches sind zudem die gestalterischen Elemente. Sie sollen ein Gefühl für einige Aspekte der Schizophrenie vermitteln, stellen dabei aber keinen Realitätsanspruch. Ein Teil davon sind die Fotografien, die sich sowohl aus Dokumentarfotografien von den Interviews als auch inszenierten Fotografien zusammensetzen. Basis für die künstlerischen Interpretationen der Krankheit waren sowohl die Interviews als auch wissenschaftliche Literatur. Um das Verständnis beim Lesen zu erleichtern, wurde dem Buch ein Glossar, das Wörterbuch für eine verrückte Welt, beigefügt. Das Buch bietet einen facettenreichen Einblick in die Thematik. Ver-rückte Welt von Lisa Kainzbauer und Brigitte Maresch ist 2021 im Facultas Verlag erschienen.
Lisa Kainzbauer, Fotografin mit Schwerpunkt auf gesellschaftskritische Themen, Kultur- und Sozialanthropologin, Angehörige einer Mutter mit Schizophrenie, ehrenamtliche Mitarbeiterin der HPE und Mitglied der Competence Group Ludwig Boltzmann Gesellschaft (Beratung von Forschungsteams zum Thema „Kinder von Menschen mit psychischer Erkrankung“).
Brigitte Maresch, Grafikdesignerin mit Schwerpunkt auf Illustration und Buchdesign, Künstlerin und Japanologin, persönliche Erfahrung mit psychischer Erkrankung, setzt sich für Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen ein.