Wohin in Wien

The talking car Brunosimao

Ausstellungen, Konzerte, Theater oder Film: Die Redaktion des Access Guide Magazins hat sich angeschaut, was im Juni in der Stadt los ist.

Unterwegs. Ein Auto rast 90 Minuten lang auf einen Abgrund zu. Auf den Klimakollaps? Auf das Ende der Menschheit? Oder fährt es doch ins Krankenhaus, um ein Kind zur Welt zu bringen? Die genauso ungewöhnliche wie magnetisierende erste Theaterinszenierung der bildenden Künstlerin Agnieszka Polska, die mit dem renommierten Preis der Nationalgalerie Berlin ausgezeichnet wurde, ist ein hypnotischer Science-Fiction-Roadtrip. Während Landschaften vorbeirauschen, wird unter atmosphärischer Musik das verhängnisvolle Verhältnis von Mensch und Maschine, von ökologischer und humanitärer Katastrophe radikal auf die Bühne gebracht. Die Spieler:innen im Auto wechseln dabei unablässig ihre Rollen: mal sind sie Vater-Mutter-Kind, mal Gelegenheits-Mitfahrer:innen. Die rasende Fahrt bringt sie aus einer düsteren Vergangenheit in eine ungewisse Zukunft. Die Frage ist nur: Was ist schlimmer – was hinter oder was vor uns liegt? Termine

Welcom Venice © Kairos Film

Welcome Venice © Kairos Film

Venedig von innen. Die Brüder Pietro und Alvise gehören zu einer alten Fischerfamilie aus Giudecca, einer der Inseln, aus denen die Stadt Venedig besteht. Ihr Leben kollidiert vor dem Hintergrund des unaufhaltsamen Wandels, der die Realität und die Identität Venedigs und seiner Bewohner:innen verändert: Der zunehmende Einfluss des globalen Tourismus verändert die Beziehungen zwischen der Stadt und ihren Bewohner:innen. Obwohl es anstrengend und einsam ist, möchte Pietro weiterhin „moeche“, die typischen Krebse der Lagune, fischen. Alvise hingegen sieht in seinem Elternhaus die Möglichkeit, neu anzufangen, indem er Beziehungen zur Immobilienelite aufnimmt, die die Stadt beherrscht. Der Konflikt greift schließlich auf die ganze Familie über. Andrea Segres Filmschaffen kreist seit Jahren um seine faszinierende Heimatstadt Venedig. Auch in Welcome Venice zeigt er wieder berührend authentisch ein vor den Touristen verborgenes Venedig am Wendepunkt, wie man es sonst nie zu sehen bekommt. Spielzeiten Trailer

Mnozil Brass © Maria Frodl

Mnozil Brass © Maria Frodl

Jubelei. Mehr als 30 Jahre ist es nun schon her, dass ein paar rotzfreche Musikstudenten mit philharmonischen Ambitionen im Gasthaus Mnozil in Wien den Verlockungen der Wirtshausmusik nachgaben und so ganz ungeplant den Weg ins Entertainment Business einschlugen. Die Band „Mnozil Brass“ ließ die hehre Welt der Klassik hinter sich und bereiste den Globus fortan im Auftrag der angewandten Blasmusik. Der Erfolg stellte sich rasch ein und es kam, wie es kommen musste: Die Dekaden vergingen wie im Flug und aus Studenten wurden schließlich selbst Professoren. Lehrende, die nach bestem Wissen und Gewissen einzig danach trachteten, das Erlebte in Wort und Ton an ihre wissbegierigen Schülerinnen weiterzugeben. Doch das Feuer der geblasenen Musik erlischt nie! Es lodert auch anno 2023 hell in ihren Herzen, genau wie damals, in der kleinen Wiener Gaststätte. Am 15. Juni ist die Truppe im Theater im Park zu hören.

Einsamkeit & Entfremdung. Der US-Amerikaner Gregory Crewdson (*1962, Brooklyn) zählt zu den international renommiertesten Fotografen. In der Kulisse amerikanischer Kleinstädte und auf Filmsets entwirft Crewdson seit Mitte der 1980er-Jahre gleich einem Regisseur technisch brillante und farblich verführerische Inszenierungen, die menschliche Einsamkeit und die Abgründe der Gesellschaft zum Thema haben. Die rätselhaften Szenen werfen auf selbstreflexive Weise die Frage nach der Grenze zwischen Fakt und Fiktion auf, lassen sich aber auch mit sozial-politischen Entwicklungen in Beziehung setzen. In der Albertina ist ab Ende Mai eine große Retrospektive zu sehen. Am Beginn der Ausstellung steht das Frühwerk Early Work (1986-1988) Crewdsons fotografische Abschlussarbeit an der Yale University School of Art.

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Gregory Crewdson, Starkfield Lane 2019 Private Collection © Gregory Crewdson

Sie zeigt unter anderem die Bewohner:innen der Kleinstadt Lee, Massachusetts, in ihrem häuslichen Umfeld. Mit noch relativ geringem Aufwand verwandelt Crewdson reale Orte in geheimnisvolle Szenen, die die Vorstadt als Ort der Isolation und Beklemmung darstellen. Ebenfalls zu sehen ist Crewdsons berühmte Serie Twilight (1998-2002). In den von der Sprache des Kinos geprägten Szenen werden Menschen in ihrem Alltag mit unerklärlichen Phänomenen konfrontiert. Die geheimnisvollen Szenen aus der Serie Beneath the Roses (2003-2008), die in eindrucksvollen Großformaten festgehalten sind, kreisen um das Thema der Einsamkeit und der Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt. Die jüngste Serie Eveningside (2021-2022) ist in atmosphärischem Schwarzweiß gehalten und zeichnet das unheroische Bild einer gleichnamigen fiktiven Kleinstadt. Crewdsons Arrangements positionieren die Dargestellten durch eine vom Film Noir beeinflusste Beleuchtung und raffinierte Motive wie Schaufenster und Spiegel im Raum.