Aufruhr und Resignation

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Mitte September lud der Verein ganznormal.at zur Diskussion über die Zukunft der psychischen Gesundheit in den Ringturm der Wiener Städtischen Versicherung. Dabei widmete sich eine prominente Runde dem diesbezüglichen Wandel in unserer Gesellschaft.

Die psychische und die physische Gesundheit sind untrennbar miteinander verbunden. Seelische Belastungen schlagen sich körperlich nieder und körperliche Erkrankungen beeinträchtigen unseren Gemütszustand. Dennoch legt unser Gesundheitssystem auch heute noch einen ganz klaren Schwerpunkt auf die Behandlung von physischen Beschwerden. Vor diesem Hintergrund analysierten SVS-Generaldirektor Alexander Biach, Gesundheitspsychologin Christina Beran, Jugendpsychiaterin Katrin Skala und PSD-Chefarzt Georg Psota die heimische Versorgungslage bei psychischen Erkrankungen.

Laut SVS-Chef Biach hat die Zahl der Krankenstandstage durch psychische Erkrankungen seit den 1990er Jahren deutlich zugenommen. Auch die Pensionsfrühantritte aufgrund psychischer Erkrankungen hätten sich in den vergangenen 25 Jahren vervielfacht. Beschleunigt wurde diese Entwicklung durch die Corona-Pandemie und die aktuellen Kriege und letztlich auch durch die starke Polarisierung in den sozialen Medien, die wie ein Brandbeschleuniger wirke. „Dort gilt nur noch: entweder – oder! Man steckt sich selbst und die anderen schnell in eine Schublade. Das führt zum Verlust des Diskurses“, sagte Katrin Skala. Der Umgangston in den sozialen Medien trage zur Überemotionalisierung und Spaltung der Gesellschaft bei. Das zeige sich etwa bei der Diskussion über den Konflikt zwischen Israel und Palästina. Hier würde häufig nur noch in Schwarz-Weiß-Mustern diskutiert.

Die Gesellschaft befinde sich in einem Umbruch, einem Wandel, der allerdings „in der Bevölkerung noch nicht richtig angekommen ist“, meinte Georg Psota. Christina Beran beschrieb die Zeit der Corona-Pandemie einerseits als Motor der Digitalisierung, aber auch als Auslöser für zunehmende Einsamkeit. Dies führe zu einer Überlastung der Menschen und verstärke Suchttendenzen.

Die Diskussionsrunde war sich einig darüber, dass Österreich zwar ein gutes Gesundheitssystem hat, aber mehr präventive Maßnahmen nötig sind, um psychische Belastungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Sport, soziale Beziehungen und das frühzeitige Erkennen von Therapiebedarf durch die Betroffenen und ihr Umfeld wurden als wichtige Maßnahmen zur Erhaltung der psychischen Gesundheit genannt.

Reden wir darüber: Der Verein ganznormal.at wurde im August 2011 gegründet und setzt sich für die Förderung der öffentlichen Diskussion über seelische Gesundheit ein. Der Verein fordert eine Gleichstellung von psychischen und physischen Krankheiten, denn unser Gesundheitssystem lege auch heute noch einen ganz klaren Schwerpunkt auf die Behandlung von körperlichen Beschwerden. Mit unterschiedlichen Kampagnen möchte der Verein außerdem die Entstigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen vorantreiben.