Ist Reden immer Gold?

Pexels Cottonbro

Das Geschäft mit der Seele boomt. Eine stetig wachsende Zahl an Personen bietet Kurse, Vorträge, Seminare, Ratgeber, Ausbildungen oder Sitzungen an und verspricht Erleichterung oder sogar Heilung. Die deutsche Psychoanalytikerin Diana Pflichthofer hat ein Buch darübergeschrieben. Darin übt die Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Kritik an unqualifizierter Hilfestellung am Psycho-Markt.

Diana Pflichthofer beleuchtet in ihrem Buch „Die Psychoindustrie“ die dunklen Seiten einer Branche, in der mit „Psychotainment-Tricks“ Milliardengeschäfte mit den psychischen Nöten der Menschen gemacht werden. Das sei in Zeiten der Krisen, die psychische Erkrankungen deutlich ansteigen lassen, besonders gefährlich. Sie analysiert, was diese Entwicklung begünstigt, was sie für unsere Gesellschaft so bedrohlich macht und versucht herauszufinden, ob die anerkannten Therapien den Anschluss verpasst haben. Und sie kritisiert auch die Rolle der Medien, die den selbsternannten Psycho-Gurus unterschiedlichster Art bereitwillig eine Bühne bieten. Es sei oft unklar, was die Qualifikation dieser „Psycho-Tainer:innen“ sei, die sich nach Ansicht Pflichthofers gerne den Anschein der Wissenschaftlichkeit geben, aber letztendlich nur monetäre Ziele verfolgen würden.

Pflichthofers kritischer Rundumschlag richtet sich gegen Fast Food-Therapie, Psycho-Crash-Kurse aber auch den Wissenschaftsbetrieb generell, in dem sie fast nur noch Quantität statt Qualität ortet. Ihr Buch ist eine Abrechnung mit dem sogenannten „Psychotainment“, das es in diversen Talk Formaten des Fernsehens gibt. Auf einer Bühne, bei einem einmaligen Treffen könnten nämlich keine langfristigen, Halt gebenden Beziehungen entstehen. Selbsternannte Psychogurus, die etwa das „innere Kind“ befreien wollen, würden eine „Verramschung psychotherapeutischer Konzepte“ betreiben. Beim Psychotainment ginge es nur um das Sprechen überhaupt. Ziel einer seriösen Psychotherapie sei aber, das „Sprechen mit jemandem, das Sprechen im Rahmen einer Beziehung – in einem geschützten Raum“, so Pflichthofer. Den Medien wirft die Autorin außerdem „zu viel Betroffenheitsjournalismus vor“ und den Fehler „Prominenz mit Kompetenz zu verwechseln“.

Als Grundübel sieht die Autorin den Mangel an Therapieplätzen, der dazu führe, dass nach anderen, leichter verfügbaren Lösungen gesucht werde, nach der Illusion einer Therapie. Wer es schafft auf eine Warteliste für einen Kassenplatz zu kommen, ist noch lange nicht am Ziel. Die Nachfrage ist weitaus größer, als das Angebot. Zu all diesen Hindernissen kommt noch die Frage nach der geeigneten Therapieform.

Die Psycho Industrie druck high cmyk

Eine Kritik der Scharlatanerie.

Pflichthofer klärt in ihrem Buch darüber auf, welche Angebote rund um die Psyche seriös sind und welche nicht. Immer wieder warnt sie dabei vor den vielen selbsternannten Expert:innen, die auf den Psychomarkt drängen. Viele davon „würden nicht über die nötige Ausbildung und Erfahrung verfügen“. Empowerment- oder Managementprogramme und der dabei nicht selten propagierte „absolute Glauben an die eigene Kraft“, wären zu wenig für eine zielführende und erfolgreiche Therapie. Die Autorin warnt zudem vor dem omnipräsenten Optimierungswahn, der auch vor der Psychotherapie nicht halt machen würde. Das Geschäft mit der Seele sei ein riesiger Markt, aber „leider oft auch ein Markt der Verzweiflung“.

Die Gefahren die in diesem Psycho-Dschungel schlummern, seien vielfältig: Sie reichen vom Sozialdarwinismus und der angeblichen Verantwortung der Gene über Pseudoreligiosität und Heilsversprechen bis hin zu Psychosen und Einsamkeit. Dazu komme ein Überangebot an Diagnosen, die lediglich den Gesetzen des Marktes folgen würden: „Schaffe Bedürfnisse, damit du sie befriedigen kannst. Schaffe Erkrankungen, damit du Therapien anbieten kannst“, schreibt Pflichthofer. Das Bedürfnis nach einer Diagnose komme nur dem Bedürfnis der Hilfesuchenden entgegen, sich dadurch gesehen oder verstanden zu fühlen und allein dadurch schon ein wenig beruhigter.

Diana Pflichthofer © Angelika Pove

Diana Pflichthofer © A. Pove

Das Buch Die Psycho-Industrie ist Mitte September 2024 im Goldegg Verlag erschienen. Dr. Diana Pflichthofer ist Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Sie wundert sich schon lange über Mode-Diagnosen und selbst ernannte Therapeut:innen, die wie Hobby-Psychologen beraten und mehr schaden als nutzen. Mit ihrem Buch will die Autorin die Praktiken dieser Leute aufdecken und eine Orientierung für diejenigen bieten, die professionelle Hilfe suchen.