Eine universale Müdigkeit, die Unfähigkeit, Freude zu empfinden und ein beständiges In-Sorge-Sein waren bei Rosa* die ersten Anzeichen einer Depression. Im Access Guide Magazin erzählt sie, was ihr geholfen hat, die Schwermut zu überwinden.
„Mein Leben ging in meinen besten Vor-Erwachsenenjahren recht beschäftigt und munter dahin. Oft fünf Tage die Woche viel zu spät aufstehen und schlafen gehen. In der Früh keine Zeit, da nicht rechtzeitig aus dem Bett, weil sich Erschöpfung schon morgens bemerkbar machte. Abends den Abend ewig hinauszögern, da die freien Stunden im Verhältnis zu den ,verarbeiteten` eindeutig zu wenig waren.
Mit der Zeit ist es mir nicht mehr gelungen, irgendetwas ohne Druck und Hektik zu machen. Der Job ist mühsam und viel zu überfordernd. Irgendwann hat sich, unmerklich für mich selbst, der Druck, der Wille, aufzustehen, in den Willen, nichts mehr zu müssen, verwandelt. Trägheit und Lethargie schlichen sich ein und eines Tages ,durfte` ich tatsächlich weiterschlafen, weil ich meinen Job aufgrund verminderter Leistungsfähigkeit verloren hatte.
Nun wandelte und schlich ich müde, zäh und maximal gepeinigt von meinen tausend anderen Sorgen durch mein plötzlich unstrukturiertes neues Leben, welches unbekannt, trügerisch hoffnungsvoll und nackt vor mir lag. ,No sense` begleitete mich bald von früh bis spät, ich dachte an alles, was mir und anderen Sorgen machte und strudelte in eine Abwärtsspirale und Armutsfalle hinein. Ich war auf jeden Fall für alle, und zwar wirklich für alle, viel zu wenig da. Auch für mich war ich nicht mehr erreichbar. Bis heute kann ich mir diesen seltsamen Umstand nicht erklären. Ein Tag war wie jeder andere und das ,im Kreis-Denken` nahm kein Ende. Ich vergrub mich und fand jede traurige Nachricht noch trauriger, konnte nicht mehr damit umgehen. Die News, die ich gar nicht wissen wollte, aber die dennoch ihren Weg zu mir fanden, konnte ich nicht mehr verarbeiten. Die Farben im Leben wurden zu Grauabstufungen, ich war kaum noch zu erheitern.
Traurig genug fuhr ich auch des öfteren Auto und dachte dabei auch irgendwann mal daran gegen die Wand zu fahren. Meine Feigheit hat mich gerettet und ließ mich wohlbehalten am Zielort ankommen. Und genau so ein Zielort war dann eines Tages der Proberaum einer Band ohne Sängerin. Einem Kindheitstraum folgend wagte ich den Sprung ins unbekannte Wasser und wurde Hobby-Sängerin. Ich sang mir die Traurigkeit, die Wut und überhaupt alles, was längst aus mir raus wollte, endlich von meiner geplagten Seele. Die stärkste emotionale Überraschung küsste mich damals am darauffolgenden Morgen wach. Denn eine Serotoninflut verwandelte über Nacht meine traurigen Synapsenverbindungen in eine wunderbare Zufriedenheit. Auf einmal war da Glück in mir vorherrschend, so unpackbar stark und plötzlich, dass es beinahe fast nicht verarbeitbar war. Gottseidank ist dies über Nacht geschehen, so dass sich mein depressives Selbst nicht wehren konnte. Alle Sorgen dieser Welt erschienen nun um Granitblöcke leichter und vor allem lösbarer. Spaß und Freude durch Singen und Musizieren ist für mich zu einer unerlässlichen Freudensquelle geworden. Ich bin unendlich dankbar dafür“.
Rosa* (Name geändert) ist Teilnehmerin von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.