Anderen helfen und sich selbst helfen zu lassen sind die Grundfesten des sozialen Miteinanders. Das braucht Mitgefühl, Vertrauen, aber auch Mut. Zwei Teilnehmerinnen von Eranos erzählen von ihren Erfahrungen:
Kiki*: „Wir schreiben das Jahr 1994, es ist Sommer und ich habe gerade mit meiner Ausbildung zur Pflegehelferin begonnen. Um mal den Kopf auszulüften, ging ich auf der Mariahilfer Straße spazieren. Vor mir schwankt ein Mann dahin, so als ob er einen über den Durst getrunken hätte und so schnell konnte ich gar nicht schauen, lag er schon am Gehsteig! Scheibe … was mache ich jetzt? Naja … schnell auf den Rücken gedreht, Puls kontrolliert … in Gedanken … OKEEEE, was jetzt? Wir hatten in der Schule bis dahin nur ,Wie reinige ich die Ohren des Patienten` gehabt! Es nutzt nichts, ich muss jetzt handeln! Also, schnell … kein Puls, kein Herzschlag … Ok .. Herz … alleine schaffe ich es aber nicht … Die Menschenmenge um mich besteht eher aus Glotzern! Der Mann mit Hut ist muskulös, der muss daran glauben!
ICH: SIE mit Hut, können Sie knien? ER (zögerlich): Ja! ICH: Haben Sie TBC? ER: WAS?!?! ICH: Egal, kommen Sie her! ICH: Sie, mit der roten Bluse! Rufen Sie 144! ICH zum Muskelmann: Nun zu Ihnen! Wenn ich ,JETZT` sage, blasen Sie kräftig da oben rein (mir ist das Wort MUND nicht eingefallen!). Auf einmal kommt mir ein Lied von der Gruppe KISS in den Sinn: ,I was made for loving you baby`. Super Rhythmus … so wird’s gehen! Ich drücke, der Muskelmann beatmet und KISS singt … und der Mann, der schwankend zu Boden ging, atmet auf einmal mit! Ich liebe KISS!“
Endlich unabhängig
Jessi* hat viel Mut aufbringen müssen, um den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Wie ihr das gelungen ist, beschreibt sie so: „Es dauert oft sehr lange bei mir, bis ich mich dazu überwinden kann, mutig zu sein. Meistens brauche ich dafür die Unterstützung von Anderen. Für mich gibt es genau drei Menschen, die mir immer wieder Mut machen und ich hoffe, das wird auch mein ganzes Leben lang so bleiben. Dass ihr mich Tag für Tag ermutigt, macht mich auch ziemlich stark. Mein Mut zu leben wird täglich größer. Ich kann das schöne Gefühl einfach nicht beschreiben, das ihr mir gebt, es bedeutet mir sehr viel. Vor allem deshalb, weil der Zuspruch von Menschen kommt, die ich liebe und sehr gern habe. Ich verdanke euch sehr viel. Ich kann mich an viele eurer Ermutigungen erinnern und ich habe immer gewusst, dass ich mich auf eure Unterstützung verlassen kann. Ihr wisst sicher auch, wie wichtig mir eure Hilfe ist.
Nur durch eure Unterstützung ist es mir gelungen, meine Ängstlichkeit zu überwinden um meine Ziele zu erreichen. Mein größter Traum war immer, eine Ausbildung machen zu können, die mir gefällt und das ist mir nun endlich gelungen. Mut braucht man, um die eigenen Selbstzweifel zu überwinden. Mut braucht man für jeden Neuanfang und für jeden Start. Ich habe auch viel Mut gebraucht, um meine eigene Geschichte hinter mir zu lassen. Ich habe sehr viele furchtbare Dinge erlebt, es war schwierig, nicht ständig daran denken zu müssen. Ich bin stolz darauf, dass ich mutig genug war, in eine eigene Wohnung zu ziehen. Das war ein riesiger Schritt für mich, vor dem ich mich lange gefürchtet habe. Aber jetzt habe ich es geschafft. Ich danke euch, dass ihr mir den Mut dazu gegeben habt“.
*Riki und Jessi (Namen geändert) sind Teilnehmerinnen von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.