Verschiedene Wörter beschreiben eine „Behinderung“. Die Frage ist: Welches Wort ist korrekt? Beeinträchtigung oder Behinderung? „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ oder „Menschen mit besonderen Fähigkeiten“?
Wörter können positiv-bestärkend oder negativ-verletzend wirken.
Es gibt viele Ausdrücke und gleichzeitig viele Meinungen dazu. Wie ein bestimmtes Wort bei jemandem ankommt, ist oft sehr individuell. Die Diskussionen dazu können endlos sein. Die Thematik ist aktueller denn je und wird in mehreren Bereichen behandelt, auch und gerade wenn es um Behinderung geht. Ist nun „beeinträchtigt“ oder „behindert“ korrekt?
Das ist ein „Sonne-Mond Schema“!
Im deutschen Sprachgebrauch gibt es eine Besonderheit – unsere Artikel. Dahinter steckt eine grammatikalische Logik. „DIE“ ist weiblich, „DER“ männlich und „DAS“ ist sächlich. Es gibt eine Reihe von Regeln, wann welcher Artikel verwendet wird. Allerdings gibt es auch Gesetzmäßigkeiten, die nur in der deutschen Sprache vorkommen und die sich nur durch den germanischen Ursprung erklären lassen.
Im Deutschen ist „DIE“ Sonne weiblich und „DER“ Mond männlich. Aber warum? In anderen Sprachen ist es genau umgekehrt! Jeder sagt es so. Die Regel wird nicht hinterfragt.
Die Germanen glaubten an viele Götter. Zwei davon waren „Sunna“ die Sonnengöttin und „Moni“ der Mondgott. Daraus entwickelte sich angeblich die Form des Geschlechts der Himmelskörper.
Genauso empfinde ich das auch bei „beeinträchtigt“ und „behindert“. Es gibt Gesetzmäßigkeiten, die nur wenige hinterfragen. Die Wörter werden einfach gesagt und so hingenommen.
Heutzutage wurde das Wort „Behinderung“ allgemein festgelegt. Es findet in vielen Bereichen Anwendung: Behindertengrad, Behindertenpass, Behindertengleichstellungsgesetz usw. Genauso gut könnte es auch Beeinträchtigungsgrad, Beeinträchtigungspass, Beeinträchtigungsgleichstellungsgesetz heißen.
Bist du behindert?
Das Wort „Behinderung“ sollte überdacht werden. Es gibt eine Reihe von Gründen eine andere Bezeichnung zu wählen.
Mit „Behinderung“ ist eher die körperliche Behinderung verbunden. Das Wort schließt damit jemanden mit einer psychischen Problematik eher aus.
Das Wort „Behinderung“ ist zudem stark in der Alltagssprache in Verwendung – aber eher negativ assoziiert. Nicht zuletzt auch durch Menschen auf der Straße, die wutgeprägte Äußerungen loswerden, wie „Bist du behindert?“. Auch geschichtlich ist „Behinderung“ stark belastet.
Welcher Begriff nun bevorzugt wird, liegt aber an jedem Einzelnen. Es gibt keine Regelhaftigkeiten dahinter. Im Grunde ist es wie mit den beiden Himmelskörpern im All.
Aber dadurch, dass das Wort „Behinderung“ eher negativ besetzt ist und viele Betroffene tendenziell ausschließt, bevorzugen wir seit einiger Zeit das Wort „Beeinträchtigung“.
Auf Stärken und nicht nur auf Schwächen fokussieren!
Nun gibt es auch neuere Ansätze bei der Benennung, wie z.B. „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ oder ganz neu „Menschen mit besonderen Fähigkeiten“.
Ist das wirklich ein ganz anderer Ansatz zu „Behinderung“ oder „Beeinträchtigung“?
Vielleicht.
Das Bestreben mit diesen Begriffen ist jemanden nicht gleich negativ zu bewerten oder gar als „wertlosen“ Menschen darzustellen.
Vielen fällt es leichter, sich an negativen, problembehafteten Thematiken und Schwächen zu orientieren. Die Begriffe „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ oder „Menschen mit besonderen Fähigkeiten“ streben danach, mehr auf Ressourcen und Stärken als auf Probleme und Schwächen einzugehen.
Ob es dafür diese Bezeichnungen geben muss, ist allerdings fraglich. Egal welche Bezeichnung nun als korrekt empfunden wird, wichtig ist vor allem Menschen ganzheitlich mit all seinen Facetten zu betrachten.
Autor: Mag. Sebastian Püller*
* Sebastian Püller ist Klinischer und Gesundheitspsychologe, bei Phönix Project als Trainer und Sozialpädagogischer Betreuer beschäftigt, sowie aufgrund einer spastischen Hemiparese körperlich eingeschränkt.