Bewegung schenkt Lebensjahre

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Bettina Habith unterstützt Menschen mit psychischen Erkrankungen dabei, den Weg zur seelischen Gesundheit zu finden. Als Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision und Gesundheitsexpertin weiß sie, dass körperliche Bewegung einen wichtigen Beitrag zum ganzheitlichen Wohlbefinden liefert.

Access Guide Magazin: Vielen Menschen im Home-Office fällt es aktuell schwer, körperlich fit zu bleiben. Warum?

Bettina Habith: Durch den aufgrund der Corona-Regeln verordneten Rückzug in die eigenen vier Wände sind für viele gewisse Bewegungsroutinen weggefallen, wie zum Beispiel der tägliche Weg zur Arbeit. Dies hat den ohnehin schon vorhandenen Bewegungsmangel noch weiter intensiviert. Gerade deshalb ist es wichtig auch im Home-Office, mehr Bewegung in die alltägliche Routine zu integrieren. Das geht eigentlich ganz leicht: Statt einem Großeinkauf pro Woche mehrere kleine Einkäufe, Bildschirmpausen einlegen und regelmäßig vom Schreibtisch aufstehen, Kniebeugen beim Zähneputzen und Gehen beim Telefonieren. Oder man trainiert sein Gleichgewicht, indem man auf einem Bein steht und vieles mehr.

Für all jene die im zweiten Schritt dann bereits sportliche Ambitionen haben, sich aber noch schwer tut einen Anfang zu finden, ist die Vorbereitung alles. Wer plant, in der Früh laufen zu gehen, kann ohne weiteres gleich im Sportgewand schlafen gehen, oder die Yogaeinheit am Abend vorbereiten, indem man die Matte bereitlegt und sich vorab schon die passende Musik raussucht. Bei der Wahl der Bewegungsart lässt man sich am besten von seinen Vorlieben leiten und nicht darauf zu schauen, was gerade im Trend ist. Die Möglichkeiten sind vielfältig und reichen vom Walken über´s Radfahren bis zum Training mit Hula-Hoop-Reifen oder Hanteln.

Access Guide Magazin: Welche Symptome löst Bewegungsmangel aus?

Bettina Habith: Da gibt es verschiedene Warnsignale und diese sind sehr individuell. Bei manchen zeigt sich Bewegungs-/Aktivitätsmangel durch schlechten Schlaf, also Probleme beim Ein- oder Durchschlafen. Andere wiederum leiden an einem verspannten Nacken, Kopfschmerzen oder Schmerzen im unteren Rücken. Jeder hat seine vulnerablen Stellen, da muss man genau hinschauen und bewusst wahrnehmen. Zu wenig Bewegung kann sich auch durch Konzentrationsschwächen und Nachlassen der Merkfähigkeit oder eine schlechte Verdauung zeigen. Bei all diesen Signalen ist Bewegung dringend indiziert und kann in vielen Fällen bereits sehr rasch Besserung schaffen.

Access Guide Magazin: Warum ist Bewegung generell gut für uns?

Bettina Habith: Bewegung schenkt Lebensjahre, je mehr davon, umso besser. Bewegung ist gut für die Muskulatur und minimiert das Risiko von bestimmten Krankheiten, wie etwa Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Gefäßerkrankungen und Krebs. Studien haben außerdem gezeigt, dass Bewegung Angst- und Depressionszustände vermindert und den Stresslevel senkt. Gleichzeitig kann durch Bewegung die Konzentrations- und Merkfähigkeit gesteigert werden. Mittlerweile wurde auch der antidepressive Effekt von Bewegung nachgewiesen.

Access Guide Magazin. Dann stimmt also die Formel „Mens sana in corpore sano“?

Bettina Habith: Das stimmt zu 100%. Körper und Seele müssen immer als eine Gesamtheit betrachtet werden. Wenn die Seele leidet, können auch im gesunden Körper Krankheiten entstehen. So können zum Beispiel psychosomatische Beschwerden entstehen, die mit keiner körperlichen Ursache zu erklären sind. Aber auch umgekehrt: Wenn ich körperlich erschöpft und müde bin, wird  das auch psychische Folgen haben. In der Psychosomatik handelt es sich immer um multifaktorielle Einflussfaktoren, beide Seiten bedingen sich gegenseitig.

Access Guide Magazin: Wie hängen psychische Erkrankungen und Bewegungsmangel zusammen?

Bettina Habith: Daran wird aktuell geforscht. Was man sagen kann, ist, dass Bewegungsmangel Übergewicht und Adipositas fördert. Gesichert ist inzwischen, dass eine moderate sportliche Betätigung die Symptome einer Depression verringern kann und teilweise sogar ähnliche Auswirkungen wie Medikamente hat. Bewegung ist außerdem wichtig in der Rückfallprophylaxe. Für Menschen die auf Rückschläge mit Rückzug reagieren, ist es deshalb wichtig Routinen zu erlernen – auch zur Prävention von Depressionen. Hilfreich ist etwa, wenn man sich Menschen sucht, mit denen man gemeinsam Übungen macht oder einfach nur spazieren geht.  Momentan ist sowieso Outdoor angesagt. Raus in die Natur zu gehen hat einen zusätzlichen, positiven Effekt. Bewegung hilft aber auch Indoor. Jede Bewegung ist gut und wichtig.

Access Guide Magazin: Wie sieht ein erfolgversprechender Bewegungsplan aus?

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Bettina Habith © Angelina Hoppe

Bettina Habith: Ein Trainingsplan wird nur dann erfolgreich sein, wenn er sich in den Alltag einbauen lässt. Da muss man schauen, wie die Arbeitszeiten sind oder ob es Kinderbetreuungspflichten gibt und dergleichen. Dann kommt es natürlich auch darauf an, welche Ziele verfolgt werden. 150 Minuten Bewegung pro Woche reichen, um einen gesundheitsfördernden Effekt zu erzielen. Wer sportlichere Ambitionen hat, braucht mindestens 300 Minuten pro Woche Bewegung bei moderater bis höherer Intensität. Zusätzlich wird zwei Mal pro Woche ein Krafttraining von jeweils 15 Minuten empfohlen. Da braucht man auch kein Fitnessstudio dafür, es reichen Widerstandsbänder. Oder man macht Liegestütze, Sit Ups und Kniebeugen. Wichtig ist, dass das Ganze auch Spaß macht. Die Freude an der Bewegung verstärkt nämlich den positiven Effekt.

Access Guide Magazin: Welchen Nutzen haben Fitness-Apps und dergleichen? Welche sind empfehlenswert?

Bettina Habith: Die Coronakrise hat dem virtuellen Workout-Bereich einen ziemlichen Kick beschert. Mittlerweile gibt es viele empfehlenswerte Gratis-Tutorials für Home Workout. Wichtig ist, dass man dabei keine Bewegungsfehler einlernt. Hilfreiche Apps oder Seiten sind z.B. Die tägliche Bewegungsstunde der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt oder Home-Office-Yoga und diverse Apps mit Home-Workouts wie z.B. „7-Minuten-Training“ oder „Freeletics Personal Trainer – Workouts Zuhause“. Wem die Virtualität schon zu viel geworden ist, der kann auch analog Trainingsreize setzen, indem der z.B. Trainingsbücher schreibt oder zeichnet und dergleichen. So kann man auch kleine Erfolge dokumentieren und die eigene Selbstwirksamkeit spüren.

Access Guide Magazin: Danke für das Gespräch.  

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Bettina Habith

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