Die aktuellen Publikationen „Drogenbericht 2020“ und „Epidemiologiebericht Sucht 2020“ des Kompetenzzentrums Sucht (KOSU) der Gesundheit Österreich, die beide im Auftrag des Sozialministeriums erstellt wurden, zeigen für Österreich eine stabile Lage in Sachen illegaler Drogen. Fast alle verfügbaren Daten des Drogenmonitorings zeigen einen Rückgang bzw. eine Stagnation des risikoreichen Opioidkonsums in der Altersgruppe der unter 25-Jährigen, was auf eine Entspannung hinsichtlich der Opioidproblematik hinweist. Derzeit gibt es in den verfügbaren Daten auch keine eindeutigen Hinweise auf eine nachhaltige Verlagerung des risikoreichen Drogenkonsums auf andere Substanzen (z. B. Cannabis, Stimulanzien). Suchtmittel Nummer eins der Österreicherinnen und Österreicher bleibt weiterhin das Nikotin. Jede vierte bis fünfte Person gibt dem aktuellen Epidemiologiebericht Sucht zufolge an, täglich zu rauchen. Beim Alkohol wird die Bevölkerung zurückhaltender: Der problematische Alkoholkonsum, alkoholassoziierte Erkrankungen und Todesfälle sind längerfristig rückläufig.
Konsumerfahrungen mit illegalen Drogen finden in Österreich am häufigsten mit Cannabis statt. 30 bis 40 Prozent der jungen Erwachsenen haben schon einmal Cannabis konsumiert. Aus den meisten Repräsentativstudien ergeben sich weiters Konsumerfahrungen von maximal vier Prozent für „Ecstasy“, Kokain und Amphetamin sowie von maximal zwei Prozent für Opioide und Neue psychoaktive Substanzen (NPS). Generell beschränkt sich der Konsum illegaler Substanzen aber meist auf eine kurze Lebensphase.
Die Ergebnisse einer vom Kompetenzzentrum Sucht durchgeführten österreichweiten Repräsentativerhebung bei rund 6.000 Personen im Frühjahr 2020 zeichnen kein eindeutiges Bild der Auswirkungen des ersten COVID-19-bedingten Lockdowns auf das Konsumverhalten. Die Reaktionen variieren in unterschiedlichen Personengruppen. Beim Konsum psychoaktiver Substanzen (Alkohol, Cannabis, Nikotin sowie Schlaf- und Beruhigungsmittel) berichtet jeweils die Mehrheit der Befragten keine relevanten Veränderungen, und es halten sich Zu‐ bzw. Abnahmen im Konsumverhalten die Waage. Bei Glücksspiel wird eine starke Abnahme beobachtet, die deutlichste Zunahme bei der Nutzung von Computerspielen.
Klar abzugrenzen von Probierkonsum und gelegentlichem Konsum ist der risikoreiche Drogenkonsum. Dieser wird in Österreich vom Opioidkonsum (u. a. Heroin) dominiert. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass in Österreich 31.000 bis 37.000 Menschen einen risikoreichen Opioidkonsum – großteils in Form von Mischkonsum, d. h. in Kombination mit anderen psychoaktiven Substanzen – haben. Von diesen konsumieren zwischen 9.300 und 14.800 Personen vorwiegend intravenös. Im Zeitvergleich lassen fast alle Daten auf eine Entspannung der Situation schließen, da der Anteil der unter 25‐Jährigen zurückgeht. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass weniger Menschen einen risikoreichen Drogenkonsum beginnen. Zudem werden die Betroffenen immer älter, unter anderem aufgrund des chronischen Charakters der Erkrankung und der guten therapeutischen Versorgung in Österreich.
Über die Hälfte der Personen mit risikoreichem Opioidkonsum befindet sich den aktuellsten Schätzungen zufolge in Substitutionsbehandlung. Es ist gelungen, über die Jahre die Behandlungsrate opioidabhängiger Personen massiv zu erhöhen. Dies kann als großer Erfolg gewertet werden. 2019 befanden sich 19.587 Personen in Substitutionsbehandlung. Österreichweit werden rund drei Viertel aller Substitutionsbehandlungen von Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern durchgeführt.
Während der COVID-19-Pandemie ist es aufgrund rascher rechtlicher Adaptierungen des Suchtmittelrechts zu einer guten Aufrechterhaltung bereits begonnener Substitutionsbehandlungen gekommen. Es scheint jedoch, dass vorübergehend weniger Substitutionsbehandlungen begonnen wurden. In Hinblick auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Suchtbehandlung insgesamt werden in den nächsten Wochen erste Ergebnisse einer vom Kompetenzzentrum Sucht durchgeführten umfassenden Studie präsentiert.
Im Jahr 2019 waren insgesamt 196 drogenbezogene Todesfälle (tödliche Überdosierungen) zu verzeichnen und damit etwas mehr als in den Vorjahren (2018: 184, 2017: 154). Etwa die Hälfte der davon Betroffenen waren älter als 35 Jahre. Der Anstieg der Todesfälle wird daher in erster Linie darauf zurückgeführt, dass die Gruppe der risikoreichen Drogenkonsumierenden immer älter wird. Der Anstieg dieser Zahl ist daher kein Anzeichen einer Verschärfung der Situation im Sinne von mehr Einsteigerinnen und Einsteigern in den Opioidkonsum. Die Hintergründe liegen vermutlich eher in Langzeitschäden und höherer Vulnerabilität aufgrund eines langjährigen Opioidkonsums.
Zur Reduktion drogenbezogener Todesfälle werden neben Österreichs erstem Take-home-Naloxon-Projekt in der Steiermark seit Oktober 2019 auch in Wien Schulungen für kompetentes Handeln bei Opiatüberdosierungen abgehalten und Naloxon-Kits zur Reduktion drogenbezogener Todesfälle ausgehändigt. Naloxon hebt die Wirkung des Opioids kurzfristig auf und schafft somit Zeit, um eine medizinische Notfallbehandlung einzuleiten.
Jede vierte bis fünfte Österreicher*in gibt an, täglich zu rauchen, ein Drittel davon hat im Lauf des letzten Jahres erfolglos versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Frauen rauchen nach wie vor etwas seltener und im Durchschnitt weniger Zigaretten pro Tag als Männer, ihr Rauchverhalten hat sich jedoch jenem von Männern über die Jahrzehnte zunehmend angeglichen. Im europäischen Vergleich liegt Österreich bei den täglich Rauchenden über dem Durchschnitt. Tabakrauchen (inklusive Passivrauchen) ist in Österreich gemäß aktuellen Schätzungen für 15 Prozent aller Todesfälle verantwortlich.
In den vergangenen Jahren gab es einen Zigarettenkonsumrückgang bei Kindern und Jugendlichen: Bei den 15-Jährigen hat sich der Anteil der täglich Rauchenden seit 2002 mehr als halbiert. Dennoch liegt der Anteil der täglich Rauchenden auch in dieser Altersgruppe über dem europäischen Durchschnitt. Bei Produkten wie Shisha, E‐Zigaretten und Kautabak sind wenige Jugendliche zu verzeichnen, die sie täglich konsumieren. Wird jedoch danach gefragt, ob diese Produkte irgendwann im letzten Monat konsumiert wurden, ist der Konsumanteil insbesondere bei Buben – je nach Produkt –teilweise sogar fast gleich hoch wie bei herkömmlichen Zigaretten.
Unter den täglich rauchenden Personen haben im ersten COVID-19-bedingten Lockdown in etwa gleich viele ihren Konsum einerseits gesteigert bzw. andererseits reduziert (17 % vs. 15 %). Personen, welche die Corona‐Krise überproportional als Belastung wahrnehmen, berichten auch häufiger als davon weniger belastete Personen, ihre Konsumgewohnheiten geändert zu haben. Auffällig ist, dass Frauen unter den Personen, die mehr rauchen, überrepräsentiert sind, eine Reaktion, die möglicherweise auf eine stärkere Belastung von Frauen hindeuten könnte.
Alkohol ist jene psychoaktive Substanz, mit der in Österreich die meisten Menschen Erfahrungen machen. Bier wird von Männern am häufigsten konsumiert, Frauen trinken eher Wein. Spirituosen spielen insgesamt eine relativ geringe Rolle. Etwa jede siebte Person in Österreich trinkt in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß, wobei ein solches Verhalten bei Männern doppelt so häufig feststellbar ist wie bei Frauen. Daten aus dem Jahr 2019 zeigen, dass etwa drei bis sechs Prozent der Schülerinnen und Schüler zwischen 14 und 17 Jahren so viel Alkohol konsumieren, dass es längerfristig ein Gesundheitsrisiko darstellen würde.
Im Jahr 2018 wurden 1,4 Prozent aller Todesfälle explizit mit Alkoholkonsum in Verbindung gebracht. Die tatsächliche Anzahl der Todesfälle, bei denen exzessiver Alkoholkonsum eine wesentliche Rolle gespielt hat, wird jedoch höher sein. Todesfälle bei Männern werden deutlich häufiger mit Alkohol in Verbindung gebracht als solche bei Frauen. Generell lassen sich in puncto Alkohol positive Entwicklungen beobachten: Der problematische Alkoholkonsum, alkoholassoziierte Erkrankungen und Todesfälle sind seit Jahren rückläufig. Auch bei den Jugendlichen zeigt sich insgesamt im Einklang mit der Entwicklung in vielen anderen EU-Ländern ein Rückgang des Alkoholkonsums.
Hinsichtlich des Alkoholkonsums während des ersten COVID-19-bedingten Lockdowns hat damals die große Mehrheit ihr Konsumverhalten infolge der Corona‐Krise nicht wesentlich verändert (71 %). Die Anteile der Personen, die ihren Konsum entweder reduziert (16 %) oder gesteigert (13 %) haben sind ähnlich groß. Die Corona‐Krise beeinflusst überproportional das Alkoholkonsumverhalten junger Menschen: 44 Prozent der 15‐ bis 34‐Jährigen haben ihren Konsum gesteigert oder reduziert, während dies nur bei 14 Prozent der Befragten ab 65 Jahren der Fall ist. Personen, die ihren Alkoholkonsum reduziert haben, taten dies am häufigsten, weil sie in erster Linie in Gesellschaft trinken (64 %) oder weil sie prinzipiell zu Hause nicht trinken (40 %). Viele Personen, deren Alkoholkonsum zugenommen hat, nennen mehr Freizeit (43 %), aber auch Stress (26 %) als Grund dafür. Personen, die sich überproportional durch die Corona‐Krise belastet fühlen, haben auch häufiger ihren Alkoholkonsum erhöht. Weitere Informationen und die vollständigen Berichte gibt es hier.