Seit einem Jahr erleben wir einschneidende Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. So unfassbar sie auch zu sein scheinen: Schon unsere Vorfahren waren mit Schließungen von Grenzen und Vergnügungsstätten, Handelsbeschränkungen, Social Distancing und strenger Quarantäne konfrontiert, wenn es galt Pest, Pocken, Cholera oder Spanische Grippe zu bekämpfen. All diese Pandemien konnten besiegt werden. Die Vorgehensweisen, mit denen sie bekämpft wurden, haben uns bis heute geprägt.
In der Ausstellung „Coronas Ahnen“ widmet sich das Kunsthistorische Museum den Masken und Seuchen am Wiener Hof 1500 bis 1918. Der Bogen der gezeigten Objekte, die großteils aus den Sammlungen des KHMs und des Theatermuseums stammen, spannt sich dabei von Turnier- und Karnevalsmasken des Wiener Hofes über Zeugnisse der großen Epidemien und Dokumente zur Impfgeschichte bis hin zu den imposanten Trauerroben der Habsburger. Unter den Seuchen, die Kaiser und Volk am längsten in Angst und Schrecken versetzten, ist vor allem die Pest zu nennen, die Wien in der Frühen Neuzeit neunmal heimsuchte. Aus Angst vor Ansteckung flohen manche Herrscher, wie Kaiser Leopold I., aufs Land, während andere, wie Kaiser Karl VI., in Wien blieben, um ihren Untertanen Mut zu machen. Grenzschließungen und Quarantäne waren schon damals die wichtigsten Mittel zur Bekämpfung der Pandemie. Darüber hinaus vertrauten die Habsburger im Kampf gegen diese schreckliche Krankheit vor allem auf Gott: So glaubte man durch Votivgaben ein Ende dieser Geißel herbeiführen zu können. Diesem Umstand sind in Wien die Pestsäule am Graben und die Karlskirche zu verdanken. Die Pestepidemie von 1713, für deren Erlöschen Karl VI. dem Pestheiligen Karl Borromäus die Karlskirche stiftete, war die letze ihrer Art, die Wien heimsuchte.
Doch auch nach Ausrottung der Pest war die Seuchengefahr nicht gebannt: Nun wurden die Pocken oder Blattern zur größten Geißel der Stadt. Diese Virusinfektion war zwar nicht unbedingt tödlich, doch wer sie überlebte blieb durch Narben entstellt. Anders als die Pest waren die Blattern eine Krankheit, die auch in höchsten Kreisen zahlreiche Opfer fand: König Ferdinand IV. und Kaiser Joseph I. starben ebenso daran, wie die beiden Frauen von Kaiser Joseph II. und mehrere Kinder Kaiserin Maria Theresias. Nachdem die Monarchin 1767 selbst eine schwere Pockenerkrankung überlebt hatte, entschloss sie sich, ihre jüngsten Kinder impfen zu lassen. Die Impfung mit menschlichem Serum konnte sich trotz der erhofften Vorbildwirkung in der österreichischen Bevölkerung nicht durchsezten. Erst als um 1800 die Impfung mit Kuhserum aufkam, stieg die Imfpbereitschaft langsam an, weshalb die Pocken schließlich ganz verschwanden.
Im 19. Jahrhunder waren Pest und Pocken in Europa zwar weitgehend besiegt, doch war mit der Cholera eine neue gefährliche Seuche aufgetreten. Da man nun den Zusammenhang zwischen Seuche und Hygiene erkannte, war eine Langzeitfolge die Verbesserung der Kanalisation in Wien: Die sogenannten Cholera-Kanäle sind das erste umfassende Abwassersystem der Stadt. Dennoch blieb die Cholera rund 100 Jahre lang eine gefährliche Bedrohung für die Wiener Bevölkerung.
Die größte Ähnlichkeit mit der heutigen Situation hatte die Spanische Grippe, die zwischen 1918 und 1920 weltweit Millionen Opfer forderte. In Österreich war das erst in jenem Jahr gegründete Ministerium für Volksgesundheit – von dem eine Uniform in der Ausstellung gezeigt werden kann – mit der Bekämpfung der Krankheit betraut. Die Maßnahmen, die damals in allen Teilen der Welt ergriffen wurden, kommen uns heute sehr vertraut vor: Sie reichten von der Schließung von Theatern und Schulen, über die Einschränkung des öffentlichen Verkehrs, die Anordnung von Quarantäne und die Einrichtung eigener Spitalsstationen bis hin zum Tragen von Masken. Die gesetzliche Grundlage dafür war das Epidemiegesetz aus dem Jahr 1913, auf dem auch die aktuelle Corona-Gesetzgebung beruht.
Das bekannteste und wohl auch meistdiskutierte Symbol der Corona-Pandemie ist die Maske, mit der wir Mund und Nase bedecken, um uns und unsere Umgebung vor Ansteckung zu schützen. Sie hat in der Geschichte der Menschheit eine lange Tradition, wobei der medizinische Nutzen kaum eine Rolle spielte. In der höfischen Welt der Habsburger fanden Masken beim Turnier ebenso Verwendung wie im Theater und bei ausgelassenen Tanzfesten. Zahlreiche Mitglieder des Kaiserhauses ließen sich mit diesem Attribut porträtieren. Im 19. Jahrhundert bedeckte Kaiserin Sisi ihr Gesicht bei Trauerfeiern mit kunstvollen Masken, um einerseits ihrem Schmerz Ausdruck zu verleihen und andererseits ihr alterndes Gesicht vor neugierigen Blicken zu schützen. Auch wenn sie keine medizinische Funktion hatten, können die reich verzierten Masken des Hofes als Vorläufer jener „Maskenmode“ gesehen werden, die sich in jüngster Zeit durch Corona entwickelt hat. Die Ausstellung ist vorläufig bis 31. März 2021 in der Wagenburg zu sehen.