Der Wert einer Gesellschaft misst sich für Gerald Bischof daran, wie rücksichtsvoll sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht. Im Interview erklärt der Bezirksvorsteher des 23. Wiener Gemeindebezirks, was die Politik zur Integration von Menschen mit psychischen Erkrankungen beitragen kann.
Access Guide Magazin: Was kann die Politik zur Integration von Menschen mit psychischen Erkrankungen beitragen?
Bischof: Inklusion muss alle Menschen einschließen – egal welche Art von Behinderung, oder welche speziellen Bedürfnisse sie haben. Aufgabe der Politik ist es, darauf bei jeder sich bietenden Gelegenheit hinzuweisen. In unserer Gesellschaft ist es aber leider immer noch so, dass es Berührungsängste mit Menschen gibt, die psychische Erkrankungen haben. Die Zeiten des Wegsperrens sind zum Glück vorbei, aber die Praxis des Wegschauens ist vielfach immer noch da. Es gibt einen gewaltigen Unterschied in der Wahrnehmung von körperlichem und seelischem Leid. Ein gebrochenes Bein wird mit einem Gips ruhig gestellt und nach einer gewissen Zeit, heilt der Knochen wieder. Eine angeknackste Seele lässt sich nicht so leicht reparieren. Für die Politik gilt es hier, das Bewusstsein zu schärfen.
Access Guide Magazin: Was bringt es in diesem Zusammenhang, wenn sich Prominente offen zu psychischen Erkrankungen bekennen?
Bischof: Das hat sicher eine Vorbildwirkung und macht es Betroffenen ein wenig leichter, mit ihrer Erkrankung umzugehen. Man muss sich bewusst machen, dass in einer Gesellschaft wie der unseren, in der sich immer alles schneller dreht, viele Menschen überfordert sind. „Burn Out“ ist ja mitterweile fast schon zu einer Volkskrankheit geworden. Die seelische Gesundheit ist ein hohes Gut – aber oft nicht selbstverständlich. Eine psychische Erkrankung kann heute jeden Menschen treffen. Das sollte einem immer bewusst sein.
Access Guide Magazin: Die Ausgrenzung von Menschen mit psychischen Erkrankungen macht sich besonders in der Arbeitswelt bemerkbar. Wie könnten Unternehmen da zu einem Umdenken motiviert werden?
Bischof: Da ist besonders bei den Unternehmen ein Umdenken in großem Stil gefragt. In einer verantwortungsvollen Gesellschaft sollte es selbstverständlich sein, dass Menschen trotz ihrer individuellen Schwächen, auch einen Platz am Arbeitsmarkt haben. Der Wert einer Gesellschaft misst sich schließlich daran, wie rücksichtsvoll sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht. Da braucht es noch eine Bewusstseinsänderung. Allein, dass wir ein Behinderteneinstellungsgesetz brauchen, zeigt, dass da noch viel geschehen muss. Ich finde es auch nicht gut, dass sich Unternehmen da aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung freikaufen können. Vor uns liegt noch ein weiter Weg. Institute wie das Phönix Project leisten hervorragende Arbeit dabei, Menschen mit psychischen Erkrankungen wieder ins „normale“ Leben zu helfen. Und zu einem guten Leben gehört auch ein Job dazu. Die berufliche Rehabilitation ist neben der medizinischen und psychologischen Hilfe sicher ein wichtiger Baustein bei der Integration von Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Access Guide Magazin: Danke für das Gespräch.