„Es war mehr als ein Job, es war der Mittelpunkt meines Lebens“, sagt Herbert R. Als er mit 57 Jahren plötzlich gekündigt wurde, brach seine Welt zusammen. Dabei hätte er seinen Traumjob als Kaffeelieferant in Österreich und Deutschland gerne bis zur Pensionierung ausgeübt. Als er nach der Kündigung keine Arbeit mehr fand, verfestigte sich seine Depression und führte im Zusammenspiel mit starken Schmerzen nach einem Bandscheibenvorfall zu einer befristeten Pension. Die Pensionsversicherung lehnte Ende 2017 die Verlängerung ab. Nach Einschreiten der Arbeiterkammer erhielt der mittlerweile 60-Jährige schließlich doch die Pension. „Trotz des Booms am Arbeitsmarkt verbessert sich die Situation für Arbeitslose über 50 Jahre kaum. Wir stellen uns als AK schützend vor diese Gruppe: in der Beratung genauso wie bei der Interessenvertretung“, verspricht AK Präsidentin Renate Anderl.
Existenzängste
Zu schnell sei bei Invaliditätspension aufgrund psychischer Erkrankungen von Missbrauch die Rede. Doch das Gefühl nicht mehr gewollt zu werden und die Existenzangst durch eine länger andauernde Arbeitslosigkeit hinterlässt oft tiefe Wunden in der Psyche der Betroffenen. So auch bei Herbert R., der 12 Jahre lang als Kaffeelieferant für ein niederösterreichisches Unternehmen, das Gastronomie- und Tourismusbetriebe beliefert, arbeitete. Er hätte nur zu gerne weitergearbeitet: „Es war eine schöne Zeit. Es war mein Traumjob, denn ich fahre irrsinnig gern Auto und ich bin in ganz Österreich herumgekommen. Ich war keinen Tag im Krankenstand, nicht einmal, als ich eine gröbere Verletzung an der Hand hatte. Ich habe viele sehr nette Menschen kennengelernt.“ Dank der persönlichen Betreuung durch Herbert R. blieben auch die Kunden der Firma treu.
Traumatische Kündigung
Nachdem der Betrieb aufgrund des Alters des Inhabers verkauft wurde, erhielt Herbert R. die Kündigung. „Ohne Angabe von Gründen, aus heiterem Himmel!“ Pflichtbewusst arbeitete er die drei Monate bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter. „Aber vom neuen Chef kam kein Wort! Hätte ich ihn nicht angesprochen, hätte er wohl nie etwas gesagt.“ Bei dem Gespräch schien es, als würde es sich der neue Dienstgeber eventuell doch noch anders überlegen. Schließlich habe er immer positive Rückmeldungen der Kunden bekommen. Doch als Herbert R. nach seinem Urlaub wieder zurückkam, war wieder alles ganz anders: „Er hat mich groß angeschaut und gesagt: Was machst du da? Verschwinde!“ Er habe ihm vorgeworfen, dass er die Firma bei den Kunden schlechtgemacht habe. Das Dienstauto habe er nicht mehr benutzen dürfen. Zu Fuß musste er eine Stunde bis zur nächsten Bahnstation gehen. „Danach war ich am Boden“, schildert Herbert R., wie er durch die traumatisch erlebte Kündigung in eine Depression verfiel.
Kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Herbert R. ging in Therapie, nahm Antidepressiva. Wegen starker Schmerzen nach einem Bandscheibenvorfall musste er für längere Zeit ins Spital. „Wenn man depressiv ist, dann wirkt sich das auf den ganzen Körper aus. Man wird insgesamt schwächer.“ Dazu kamen die Existenzängste aufgrund der Arbeitslosigkeit: „Mit 57 braucht man sich keine Illusionen machen, dass man noch wo unterkommt. Das ist mir am AMS auch so mitgeteilt worden.“ Er bekam eine befristete Berufsunfähigkeitspension. Nach zwei Jahren besserte sich sein Zustand schließlich. Doch dann kam der nächste Schlag: Die Berufsunfähigkeitspension wurde nicht verlängert. Herbert R. erlitt einen Rückfall. Hilfesuchend wandte er sich an die AK. Schließlich sprach das Gericht Herbert R. die dauerhafte Pension zu. Der mittlerweile 60-Jährige sagt: „Es geht mir wieder etwas besser, aber ich möchte das jetzt abhaken. Ich möchte die schöne Zeit in Erinnerung behalten, nicht das unschöne Ende.“
AK Präsidentin Renate Anderl meint dazu: „Trotz des Booms am Arbeitsmarkt verbessert sich die Situation für Arbeitslose über 50 Jahre kaum.“ Ihrer Ansicht nach könnten Arbeitsplatzförderungen hier Abhilfe schaffen, z.B. wie im Rahmen der ,Aktion 20.000‘. „Leider hat die Regierung beschlossen, hier am Menschen zu sparen. Das belastet das System“, bedauert Anderl. Anstatt nur eines Lohnkostenzuschusses müsse nun der gesamte Lebensunterhalt für die Menschen finanziert werden.