Rund 28.000 Menschen mit Behinderungen sind derzeit in tagesstrukturellen Einrichtungen beschäftigt. Für ihre Tätigkeit sind sie unfallversichert und erhalten je nach Bundesland 35 bis 100 Euro Taschengeld pro Monat. Während der Bund für die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zuständig ist, liegt die Verantwortung für tagesstrukturelle Einrichtungen und deren Vergütungen bei den Ländern.
Nun will die Regierung das System der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen umstellen. Anstatt für ihre Arbeit in Werkstätten lediglich ein Taschengeld zu bekommen, das durch andere staatliche Leistungen ergänzt wird, sollen sie in Beschäftigungsverhältnisse mit sozialversicherungspflichtiger Entlohnung überführt werden. Diese Forderung wurde bereits im Regierungsprogramm formuliert. Gefördert werden soll sowohl eine Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt als auch die faire Entlohnung betroffener Personen, die in Werkstätten arbeiten.
Die Bundesregierung stellt nun insgesamt bis zu 36 Millionen Euro zur Verfügung, um entsprechende Pilotprojekte der Bundesländer zu finanzieren. Davon werden 6 Millionen Euro vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) für zusätzliche Förderangebote im AMS bereitgestellt, um die Zielgruppe verstärkt unterstützen zu können.
Mit dem zusätzlichen Geld werden Projekte in den Ländern finanziert, die Menschen mit Behinderungen den Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen, auch wenn sie einen großen Bedarf an Unterstützung haben. Sie erhalten dann ein faires Gehalt und eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung. Die Umsetzung erfolgt gemeinsam mit den Ländern, die ein Drittel zur Finanzierung beisteuern sollen. Auch bestehende Angebote des Arbeitsmarktservice für den beruflichen Einstieg von Menschen mit Behinderungen sollen angepasst werden. Die Gespräche über eine generelle Systemumstellung auch in tagesstrukturellen Einrichtungen der Länder werden weitergeführt.
„Menschen, die am Arbeitsmarkt tätig sind, können ihr Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten. Das gilt auch für Menschen mit Behinderungen. Als Bundesregierung haben wir bereits umfassende Maßnahmen gesetzt, um ihre berufliche Teilhabe zu stärken. Nun gehen wir einen wichtigen Schritt weiter“, sagt Sozialminister Johannes Rauch.
Die Mittel werden den Ländern über eine Förderrichtlinie des Sozialministeriums zur Verfügung gestellt. Sie sollen ein weiteres Drittel der Kosten finanzieren. Insgesamt stehen dann 54 Millionen Euro zur Verfügung. Gefördert werden sollen neue oder bereits bestehende Projekte in den Ländern. Dazu zählen grundsätzlich:
Inklusive Arbeitsmodelle: Menschen mit Behinderungen sind in Unternehmen tätig, in denen der Arbeitsplatz individuell an sie angepasst ist. Für diese Tätigkeit erhalten sie ein Entgelt und sind sozialversicherungsrechtlich abgesichert. Die Barrierefreiheit wird entweder vom Unternehmen selbst (Mentoringprogramme) oder durch kostenlose Unterstützungsangebote des Sozialministeriumservice (Jobcoaching oder Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz etc.) sichergestellt.
Integrative Arbeitsmodelle: Menschen mit Behinderungen werden zwar noch in Einrichtungen betreut oder sind im Rahmen einer gemeinnützigen Arbeitnehmerüberlassung tätig. Sie sind aber in Gruppen im Rahmen von Arbeits- oder Ausbildungsverträgen am regulären Arbeitsmarkt oder etwa bei Gemeindeämtern tätig. Dafür erhalten sie ein Entgelt und sind sozialversicherungsrechtlich abgesichert.
Werkstätten*plus: Menschen mit Behinderungen im Rahmen von Arbeits- oder Ausbildungsverträgen in der Struktur oder Organisation ihrer Einrichtung tätig. Dafür erhalten sie auch ein Entgelt und sind sozialversicherungsrechtlich abgesichert.
Die genauen Kriterien der Richtlinie sollen in den kommenden Wochen gemeinsam mit den Ländern und Selbstvertretungen von Menschen mit Behinderungen erarbeitet werden. Gleichzeitig werden bestehende Angebote des AMS für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen aus tagesstrukturellen Einrichtungen am Arbeitsmarkt weiterentwickelt. Dazu zählen vor allem Eingliederungshilfen mit erhöhter Förderintensität. Um das langfristige Ziel einer Systemumstellung von „Lohn statt Taschengeld“ in betreuten Werkstätten zu verwirklichen, werden die Gespräche mit den Ländern weitergeführt.