Freiheit versus Gleichstellung

IFWK

Drei Jahre nach der Einführung der gesetzlichen Quotenregelung ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten zwar gestiegen, der Trend setzt sich aber nicht bis ins mittlere Management fort. Nach wie vor werden C-Level-Jobs häufiger männlich als weiblich besetzt. Doch woran liegt das? Und haben Pandemie und Homeoffice zu einem gesellschaftlichen Umdenken beigetragen? Lösungsansätze und eigene Erfahrungen im Recruiting diskutierte dieser Tage ein hochkarätiges Panel des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK) auf Einladung von Henkel CEE im Wiener Figurentheater Lilarum.

Unter dem Titel „Frauenquote im Management – unternehmerische Freiheit versus Gleichstellung“ diskutierten Expertinnen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Medien die aktuelle Lage von weiblichen Führungskräften in der heimischen Industrie. Gabriele Schallegger, Managing Director, Divisional Controlling Board & Paper bei Mayr-Melnhof Karton, steht der verpflichtenden Frauenquote kritisch gegenüber: „Ich bin gegen jegliche Art der Diskriminierung, auch der positiven. Am Ende des Tages soll doch keine Quote erreicht werden, sondern, dass das Optimum für das Unternehmen erreicht wird, von der am meisten qualifizierten Person – egal, ob Mann oder Frau.” Nora Lawender, CEO von NTT Ltd. in Österreich, pflichtete dem nur bedingt bei: „Natürlich soll jene Person den Job bekommen, die dafür am besten geeignet ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass eine Quotenregelung notwendig ist, sonst ändert sich nie etwas. Die Quote ermutigt Frauen vielleicht dazu, sich für Führungspositionen zu bewerben, auch wenn sie die Anforderungen vielleicht nicht zu hundert Prozent erfüllen.“

Genau hier liege auch das gröbste Problem begraben, sagte Ingrid-Mylena Kösten, Politologin, Coach und Gründerin des Netzwerkes womanSuccess: „Frauen haben immer noch das Gefühl, sie müssen dreimal so gut sein, wie ihre männlichen Kollegen, um überhaupt für eine Stelle infrage zu kommen. Daher reihen sie lieber Studium an Studium, anstatt sich einfach auf die Stelle zu bewerben. Neben den strukturellen Barrieren sind es die eigenen Hemmschwellen der Frauen selber. Die Quotenregelung ist bei der Problematik maximal eine Krücke, die im mittleren Management noch gar nicht angekommen ist.“

Marlene Hölsken, Head of R&D Operations CEE Countries & Regulatory Affairs, Laundry & Home Care bei Henkel, verortete die Thematik auf einer anderen Ebene: „Die Diskussion muss über klassische Geschlechterrollen hinausgehen. Es sollte für jedes Unternehmen Ziel sein, möglichst diverse Teams zu haben, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft usw. Denn, auch wenn es uns aus unserer Komfortzone herauszwingt, dürfen wir unsere Teams nicht mit jenen besetzen, die uns am ähnlichsten sind. Es ist dringend an der Zeit, andere Denk- und Lösungsansätze zuzulassen, nur dann profitiert das Unternehmen wirklich.“

Die Diskutantinnen waren sich vor allem in einem Punkt einig: Familiengründung und Kinderbetreuung sind in Österreich nach wie vor bei den Frauen verortet. Gerade Wiedereinsteigerinnen tappen dann oft in die Teilzeitfalle. Lawender: „Bei internationalen Konzernen und großen Unternehmen gibt es andere Möglichkeiten als Teilzeit. Wenn uns die Pandemie etwas gelehrt hat, dann, dass hybride Arbeitsmodelle möglich und auch wünschenswert sind. Und es muss klar sein, dass Frauen UND Männer in Führungspositionen in Karenz gehen und wieder zurückkommen können. Bei NTT brauchen wir keine Quotenregelung, um eine faire Arbeitsumgebung zu schaffen, aber scheinbar ist das bei anderen Unternehmen notwendig. Es kann nicht sein, dass sich Frauen immer noch rechtfertigen müssen, wenn sie nicht zu Hause bei den Kindern bleiben.“

Nana Siebert, Moderatorin des Abends und stellvertretende Chefredakteurin der Tageszeitung „Der Standard“ stellte fest: „Bei jeder Diskussion zum Thema Frauenquote landet man unausweichlich beim Thema Kinder.“ Gabriele Schallegger: „Es ist in Österreich leider immer noch so, dass viele Frauen durch die Familienplanung vom Arbeitsmarkt verschwinden. In Norwegen lebt man zum Beispiel Vollzeitbeschäftigung für Mutter und Vater, indem man Kinderbetreuung kostengünstig und für alle zugänglich macht.“ Im DACH-Raum sei man hier noch lange nicht so weit. Ingrid-Mylena Kösten: „Strukturen, die gegen Frauen sind, sind aus der Steinzeit und müssen aufgebrochen werden.“

Doch wie kann dieser Umbruch gelingen ohne eine gesetzlich vorgeschriebene Quotenregelung? Siebert: „Bei Frauen hakt es oft an der Finanzbildung und in den Schulen wird zu wenig Wirtschaftserziehung betrieben, hier gibt es ein großes Leck.“ Gabriele Schallegger stimmte dem zu: „Wir sehen, wie wichtig Finanzworkshops für Jugendliche sind. Ich engagiere mich als externe Vortragende in den Lehranstalten unterwegs und merke deutlich, dass die jungen Frauen ganz klare Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft haben. Es braucht jetzt Role Models wie uns, die ihnen zeigen, dass sie alles erreichen können.“

Marlene Hölsken sieht vor allem für Frauen, die sich für eine naturwissenschaftliche oder technische Karriere entscheiden, noch zu viele Hürden: „Frauen, die aus den Naturwissenschaften kommen, müssen nicht nur die generelle Hürde nehmen, einen technischen Weg einzuschlagen, der leider oft noch den männlichen Kollegen zugeschrieben wird. Sie müssen dann auch noch den Sprung von der Expertenkarriere in eine Führungsposition schaffen und hier ist es eben wichtig, eine gute betriebswirtschaftliche Ausbildung zu haben.“ Laut Schallegger aber dennoch eine Veränderung in der Arbeitswelt bemerkbar: „Ich sehe sehr wohl, dass viele Führungspositionen mittlerweile weiblich besetzt werden. Frauen müssen nur lernen, ihre eigene Karriere wie die Gründung eines Unternehmens zu sehen: Ein gewisses kalkulierbares Risiko musst du eingehen! Und du musst nicht sofort 100 Prozent aller Anforderungen erfüllen, die letzten Prozente kann Mann und Frau mit Training on the Job wettmachen.“