Markus Hofbauer hat nach einem schweren Eiskletterunfall den rechten Arm verloren. Seine sportlichen Ambitionen wurden dadurch aber nicht gebremst. Im Gegenteil. Als Paraclimber gibt er sein Wissen an andere Menschen mit körperlichen Behinderungen weiter.
„Ich habe immer schon für den Sport gelebt. Früher war es Skifahren und Snowboarden – aber seit mehr als einem Jahrzehnt bin ich leidenschaftlicher Kletterer“, sagt der ausgebildete Sporttechniker. Sehr bald wurde aus seinem Hobby Beruf und Berufung. Zehn Jahre lang hat er für den Österreichischen Alpenverein die Kletteranlage am Wiener Flakturm betreut: „Ich habe dort Routen geschraubt und Kletterkurse geleitet“. Seine privaten Touren wurden immer schwieriger und anspruchsvoller: „Das Faszinierende am Klettern ist der Moment der absoluten Fokussierung, den es dabei gibt. Am Fels zählt immer nur der nächste Griff. Das ist so ein intensives Erleben, dass sich die Welt abseits davon auflöst“, beschreibt der 39-Jährige.
Bis vor vier Jahren lebte Markus unbeschwert diesen Traum. Dann kam jener folgenschwere 12. Februar 2017. An diesem Tag klettert Markus an einer Eissäule in den Hinteren Tormäuern: „Das Eis war traumhaft und so viel, wie ich es noch nie dort gesehen hatte“. Plötzlich stürzt die 100 Tonnen schwere Eissäule ein. Markus Kletterpartner verliert dabei sein Leben. Er selbst überlebt schwer verletzt: „Mir hat ein Kühlschrank großer Eisbrocken das Becken zertrümmert und ein weiterer kopfgroßer Brocken den Helm. Als ich wieder zu mir kam, ließen mich die Schmerzen beinahe wieder ohnmächtig werden und ich musste all meine Konzentration darauf verwenden, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Das Letzte woran ich mich erinnern konnte, war das Geräusch des Rettungshubschraubers. Der Gedanke zu sterben, kam mir nicht“. Zwei Wochen später wacht Markus in der Intensivstation auf. Seinem Körper hat der Kletterunfall schlimm zugesetzt: „Eine gerissene Bauchaorta, Serienrippenbrüche, eine Blasenruptur, Darmverletzungen, Becken und rechter Arm sind zertrümmert. Ich hatte sehr viel Glück, eine perfekte Rettungskette und die besten Ärzte“, sagt Markus.
Noch während er auf der Intensivstation liegt, denkt er schon wieder an`s Klettern. „Ich wusste, dass 2018 die Kletterweltmeisterschaften in Innsbruck stattfinden würden, bei denen es auch Bewerbe im Paraclimbing gab“, erzählt Markus. Es dorthin zu schaffen, wird sein großes Ziel. Vier Monate nach seinem Unfall lässt er sich im Rollstuhl ins Wiener Kletterzentrum Marswiese schieben: „Meine Freunde haben mich in einen Industrieklettergurt gesteckt. Ich bin dann mit einem Arm ein paar Meter geklettert – das war die schwerste Tour meines Lebens. Aber ich wusste, ich kann wieder zurück“, erinnert sich Markus. In den darauf folgenden Monaten kommt Markus nur wenig zum klettern. Er muss sich auf seine Genesung konzentrieren. Er wird mehrmals operiert, die Amputation seines Arms erfolgt erst zehn Monate nach dem Unfall.
Im Reha-Zentrum Weißer Hof lernt Markus viele andere Unfallopfer kennen: „Da gab es jene, die gesagt haben ‚nie wieder‘ und die anderen, die weitergemacht haben, wie vorher. Da waren Männer, die hatten bei einem Motorradunfall ein Bein verloren und sich trotzdem gleich wieder Fotos von neuen Maschinen angeschaut. Letzteren ging es deutlich besser“, sagt Markus. Aufhören war auch für ihn nie eine Option. Leicht war der Weg zurück in den Klettergurt trotzdem nicht: „Mit nur einem Arm zu klettern war eine gewaltige Umstellung für mich“, sagt der Paraclimber. Markus muss nun viel dynamischer klettern und sich mit dem gesunden linken Arm von Griff zu Griff hangeln. Mitunter kommt auch sein rechter Armstumpf zum Einsatz. „Am Anfang war es schon ziemlich herausfordernd“, meint Markus, aber „beim Paraclimbing ist man als Einarmiger im Vergleich zu Menschen mit Querschnittlähmung oder Zerebralparese sicherlich im Vorteil“.
Mit großem Einsatz schafft es Markus 2018 tatsächlich ins österreichische Paraclimbing Nationalteam. Dort trifft er andere Kletter*innen, die wie er Unfälle hinter sich hatten. „Menschen zu treffen, die ähnliches wie ich erlebt haben, war für mich ein Ansporn. Immerhin war es ihnen gelungen, sich ins Leben zurück zu kämpfen“, sagt Markus. Das würden nicht viele schaffen: „Mehr als drei Viertel der Menschen, die durch einen Unfall ihr Augenlicht verloren haben, schaffen es oft nicht mehr aus dem Haus gehen“. Mit seinen inklusiven Kletterkursen möchte Markus diese Menschen wieder aus der Isolation bringen. Momentan finden coronabedingt zwar noch keine Kurse statt, aber: „Ich hoffe sehr, dass es bald wieder los geht“, sagt Markus. Doch auch abseits seiner Trainertätigkeit wird dem Paraclimber nicht langweilig: „Ich möchte die 20 höchsten Berge Österreichs besteigen. Es fehlen nur noch acht“. Bleibt also einiges zu tun.