Die Plattform Frauendomäne holt Expertinnen auf Podien und macht sie dadurch kollektiv sichtbar. Aktuell umfasst die Datenbank rund 1200 Expertinnenprofile und genauso viele Expertisenschlagwörter. Die darin gelisteten Expertinnen werden für Medienauftritte angefordert, zu Round Tables eingeladen und erhalten Jobangebote oder Aufträge. Mit dem Projekt wollen Hannah Zach und Sophie Rendl darauf hinwirken, die Rahmenbedingungen an die Lebensrealitäten von allen Menschen anzupassen. Die beiden Frauendomäne-Gründerinnen streben nach einer Welt, in der Menschen Expertise und Kompetenz nach ihren Stärken und nicht nach ihrem Geschlecht aufbauen.
Wie kam es zur Gründung von Frauendomäne?
Hannah Zach: Sophie Rendl und ich waren im Jahr 2017 auf dem Europäischen Forum Alpbach ehrenamtlich tätig. Uns ist aufgefallen, dass es bei den Panels erschreckend wenige Frauen gab. Als Erklärung dafür haben wir immer wieder gehört, dass es schwierig sei, Frauen davon zu überzeugen, sich auf ein Podium zu setzen oder dass es generell schwierig sei, qualifizierte Frauen zu finden. Diesem chronischen Mangel an weiblicher Repräsentanz in der Öffentlichkeit wollten wir etwas entgegensetzen. So entstand die Idee der Plattform „Frauendomäne“, einer Datenbank, in die sich Expertinnen aus allen Fachbereichen kostenlos eintragen können und auf welche die gesamte Öffentlichkeit kostenlos zugreifen kann. Aktuell umfasst die Datenbank 1200 Expertinnen aus verschiedenen Fachbereichen.
Access Guide Magazin: Wie ist es gelungen Expertinnen aus klassischen Männerdomänen zu erreichen?
Sophie Rendl: Wir haben bereits vor der Programmierung umfangreiche Recherchearbeit betrieben – etwa bei öffentlichen Stellen, Frauennetzwerken, aber auch bestehenden Datenbanken wie FEMTEch. Dabei war uns von Anfang an sehr wichtig, keine Karriereplattform zu sein, sondern alle Frauen und vor allem jene Frauen vor den Vorhang zu holen, die aufgrund bestimmter Merkmale noch weniger sichtbar sind. Viele Expertinnen kommen aus klassischen Fachbereichen wie Kommunikation, Rechtswissenschaften oder Coaching. Oft ist aber auch Nischenwissen gefragt. Während der Coronapandemie, in der ja hauptsächlich Männer kommuniziert haben, ist es uns gelungen, eine Zukunftsforscherin ausfindig zu machen. Krisen wie der Ukrainekrieg fordern wiederum eine ganz andere Art von Expertise, die oft auch sehr männerlastig ist. Wir versuchen die Plattform so breit und vielfältig wie möglich aufzustellen und freuen uns über jede neue Expertin, je ausgefallener ihr Fachbereich, umso besser.
Access Guide Magazin: Wie ist das Feedback?
Hannah Zach: Wir bekommen durchwegs positive Rückmeldungen, sei es von Expertinnen, Medien oder Veranstaltern. Besonders freut uns, dass die Frauendomäne auch schon mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet wurde. Die Expertinnen profitieren vor allem durch unsere Öffentlichkeitsarbeit. Wir unterstützen sie dabei, sich auf den Social Media Kanälen darzustellen und optimieren ihre Suchmaschinenergebnisse.
Access Guide Magazin: Wie finanziert sich das Projekt?
Sophie Rendl: Wir sind ein Verein mit einem gemeinnützigen Zweck und sind alle ehrenamtlich tätig. Die Datenbank als Herzstück verkörpert unsere Gemeinnützigkeit und wird immer kostenlos bleiben. Es ist außerdem ein feministisches Projekt, bei dem eine bestimmte Gesellschaftskritik und auch das Bestreben nach gesellschaftlichem Wandel im Vordergrund steht. Über Workshops und Schulungen versuchen wir das Projekt zu refinanzieren. Wir unterstützen Organisator*innen, Unternehmen und Medienvertreter*innen dabei, ihre Panels, Seminare, Teams und Interviews geschlechterausgewogen und divers zu konzipieren. Denn nur wenn die Rahmenbedingungen auch Diversität garantieren und Diskriminierung verhindern, können Frauen auch sicher sichtbar sein. Wir beraten Organisationen außerdem dabei, wie sie ihre Strukturen verbessern und nachhaltig sicher gestalten können, beispielsweise durch Diversitäts und Antidiskriminierungs Strategien, Schulungen, Workshops oder Codes of Conduct. Als zusätzliche Stakeholdergruppe haben wir unterschiedliche Partnerorganisationen wie den Österreichischen Frauenring, Sorority und andere feministische Frauennetzwerke, aber auch die Wirtschaftskammer oder das Frauenministerium.
Access Guide Magazin: Die Corona-Pandemie war für viele Frauen ein Backlash für Gleichberechtigung. Droht eine Rückkehr zu veralteten weiblichen Rollenbildern?
Hannah Zach: Die Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt während der Pandemie hat leider nicht die positive Änderung gebracht, die man erwarten hätte können. Im Gegenteil. Corona hat die Ungleichheit noch sichtbarer gemacht und vor allem für Frauen mit Betreuungspflichten einen totalen Backset gebracht. Auch in den öffentlichen Diskursen waren plötzlich nur noch Männer zu sehen, das war für uns sehr erschreckend. Frauen waren während der Pandemie einer massiven Mehrfachbelastung ausgesetzt. Dazu kam noch ein starker Anstieg häuslicher Gewalt. Und die Krisen setzen sich fort – mit Teuerung und Teilzeitdebatte und vielem mehr. Die Herausforderungen sind und bleiben groß.
Access Guide Magazin: Wie definieren Sie Feminismus heute?
Sophie Rendl: Wir verstehen uns als feministisches Projekt. Bei uns steht der Zweck im Vordergrund. Unser Feminismus ist intersektional, das ist und sehr wichtig. Feminismus muss heute mehrdimensional gedacht werden. Es geht um die Schaffung von Geschlechtergerechtigkeit. Es gibt immer noch massive Ungleichheiten und denen wollen wir entgegenwirken.
Hannah Zach: Wir haben uns von Anfang an als feministische Intervention gesehen, unser Projekt ist auch ein aktionistisches. Es darf keine Ausreden geben, Frauen nicht zu Wort kommen zu lassen.
Access Guide Magazin: Danke für das Gespräch.
Hannah Zach berät Organisationen zu den Themen Community Building, Kampagnen und Crowdfunding. Im Zuge ihrer mehr als zehnjährigen Erfahrung in der Kommunikationsbranche verantwortete sie Communities im Medien- und im gesellschaftspolitischen Bereich. Darüber hinaus ist sie Expert*in für Female Expertise Search und Datenbankaufbau.
Sophie Rendl hat Rechtswissenschaften in Wien studiert und hat den Aufbau der vera* Vertrauensstelle in Kunst und Kultur geleitet, die sie nun nach außen vertritt. Sie ist Expertin für Code of Conducts, Antidiskriminierung und beschäftigt sich mit Fragen rund um online und offline safer spaces. Im Jahr 2020 wurde sie von Forbes DACH auf die 30 under 30 Liste gesetzt und im Jahr 2022 mit dem Frauensstaatspreis in der Kategorie „Gesellschaft, Bildung und Arbeitswelt“ ausgezeichnet. Website Frauendomäne
Foto Sophie Rendl und Hannah Zach © Same Same Studio