Freude bereiten

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Die Kultur des Schenkens will gelernt sein. Geschenke machen im Idealfall nicht nur den Beschenkten, sondern auch den Schenkenden glücklich. Darüber haben Valentina, Tilla und Rüdiger im Vorfeld des „Fests der Liebe“ nachgedacht:

Valentina*: „Er hätte sie mir nie geschenkt. Doch ich hab es getan. Er hat davon geredet, Jahr für Jahr. Doch ich hab es getan. Er hat so viel mehr Geld als ich. Doch ich hab es getan. Er kennt mich schon eine Ewigkeit. Doch ich hab es getan: Wie deine Augen strahlten. Wie dein Lächeln noch nie so schön war. Wie du mich ansahst, als hätte ich dir die Welt gekauft. Und wie du fast begonnen hast, zu weinen, die Tränen, die sich nicht trauten zu fallen, glasklar in deinen Augen. Mein Herz ging auf und zum ersten Mal in meinem Leben bekam ich die Reaktion von der ich Ewigkeiten nur träumte. Mit deinen langen zierlichen Fingern nahmst du sie in die Hand und es sah aus als hättest du eine Sache noch nie so sehr geliebt. Wie habe ich das geschafft? Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dies war kein Futter für mein Ego. Aber allein deine Reaktion war viel mehr wert, als mein narzisstisches Dasein. Und das alles nur, weil ich getan hab, was er konnte, aber nie wollte“.

Tilla*: „Weihnachten nähert sich und ich stelle fest, dass das größte Geschenk, das mir die vergangenen Jahre Freude bereitete, das Überlegen, das Fertigstellen oder das Besorgen der Geschenke für meinen Liebsten war. Wahrscheinlich kommt es mit dem Alter, dass man sich selbst weniger Materielles wünscht … Früher hatte ich Wünsche, wusste, was mir Freude bereiten würde. Jetzt habe ich keinen materiellen Geschenkwunsch. Obwohl über einen kleinen Intensiv-Tanzkurs oder ein Bewusstseins/Persönlichkeitstraining würde ich mich sehr freuen. Oder Bücher, Autobiographien starker Persönlichkeiten, die Charisma haben, die über ihren Schatten gesprungen sind, die ihre Schwächen in Kraft umgewandelt haben, die der Welt was zu bieten haben. Ihre Sichtweisen zu hören, bereichert mich sehr. Die Geschenke, mit denen ich am meisten Freude bereitete, waren die Fotobücher für meine Liebsten mit gemeinsam erlebten schönen Momenten. Meine Mutter zeigt in ihrem Freundeskreis stolz das Fotobuch über ihre Gemälde. Mittlerweile gibt es mehr als 50 davor, bald muss ich ein neues Fotoalbum herstellen. Oder das Fotobuch mit ihren wunderschön inszenierten Kochkünsten“.

Was wirklich zählt

Rüdiger* interessiert am meisten: „Das Geschenk der Liebe: Was ist das meist begehrte Geschenk an diesem Feiertag und nicht nur da, sondern immer: Jahr für Jahr, Monat für Monat, Tag für Tag? Die Liebe! Und was versteht man darunter? Ist es die seelische Nähe zu einer Person oder die körperliche? Oder doch beides? Gibt es Liebe auf den ersten Blick? Seit vier Jahren bin ich unfähig, einer Person seelisch näher zu kommen. Ist es meine Angst, die mich bremst? Die Angst spielt eine große Rolle dabei. Mich plagen Gedanken an meine letzte Beziehung – ich kann einfach nicht aufhören, an sie zu denken. Ich frage mich, was sie gerade darüber denkt oder ob es ihr überhaupt leid tut. Wahrscheinlich war ich nur ein Spielzeug, das sie dann nach eineinhalb Jahren wieder weggeworfen hat. Auf jeden Fall ist es Liebe, was ich mir dieses Jahr zu Weihnachten wünsche, weil es mir vier Jahre lang nicht möglich war“.

*Valentina, Tilla und Rüdiger (Namen geändert) sind Teilnehmer:innen von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.