Keine Angst vor Frauenpower war das Motto einer Podiumsdiskussion, die im Juni im Beratungszentrum der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs stattfand. Dabei erzählten erfolgreiche Frauen mit und ohne Behinderung ihre Lebensgeschichten. Besonders beeindruckend war der Beitrag der Alternativnobelpreisträgerin Yetnebersh Nigussie. Die 35jährige Äthiopierin ist Rechtsanwältin, zweieinhalbfache Mutter (im Herbst kommt ihr drittes Kind zur Welt) und international bekannte Menschenrechtsaktivistin. Seit zwei Jahren engagiert sich Nigussie auch für die in Österreich gegründete NGO „Licht für die Welt“, deren Hauptziel eine inklusive Gesellschaft ist. „Weltweit gibt es 32 Millionen Kinder mit Behinderung, die nicht in die Schule gehen. In Afrika werden Kinder sogar zuhause festgekettet, weil sich die Eltern für sie schämen. Wir wollen diese Eltern überzeugen, dass Bildung die geheime Waffe ist, mit der jede Form von Ungerechtigkeit bekämpft werden kann“, sagt Nigussie.
Im Vorjahr erhielt die Aktivistin den Alternativen Nobelpreis, der alljährlich Menschen ehrt, die sich für die Gestaltung einer besseren Welt einsetzen. Ihre Erblindung im Alter von fünf Jahren war für sie rückblickend ein Glücksfall. „Damit ist mir erspart geblieben, mit 11 Jahren, wie in Äthiopien üblich, verheiratet zu werden. Meine Mutter schickte mich stattdessen in die Schule. Zuerst in eine Sonderschule für Blinde und als das Geld knapp wurde in eine normale Schule. Dort habe ich schnell begriffen, dass ich anders war. Ich wurde nicht akzeptiert. Ich hatte keine Freunde. Niemand wollte neben mir sitzen“, so Nigussie. Erst als sie Klassenbeste wurde, wurde sie akzeptiert. Damals fasste die Äthiopierin den Entschluss, Inklusion zu ihrem Lebensthema zu machen. Sie engagierte sich bereits als Schülerin und danach auch als Studentin ehrenamtlich für gesellschaftliche Gerechtigkeit. Mit 24 gründete sie gemeinsam mit anderen das Äthiopische Zentrum für Behinderung und Entwicklung. Bildung ist für Nigussie der Schlüssel zur Inklusion. „Das gilt besonders für Mädchen: Je besser wir ausgebildet sind, umso mächtiger sind wir“, zitiert die Aktivistin ihre Mutter. Auf die Publikumsfrage, ob es jemals Rückschläge in ihrem Leben gegeben habe, antwortet die Alternativnobelpreisträgerin: „Das kommt schon vor. Manchmal denke ich mir `das schaff ich nicht`- aber dann hör ich auf meine innere Stimme, die sagt `Bleib dran und stell dich der Herausforderung`. Schließlich kommen wir auf die Welt, um Probleme zu lösen – und nicht um welche zu machen.“
Im Bild: Magdalena Kern, Licht für die Welt, Vorstand Klaus Höckner, Yetnebersh Nigussie und Sabine Prenn, Geschäftsführerin Licht für die Welt. © Licht für die Welt