Im Vorjahr feierte das Burgenland seine 100-jährige Zugehörigkeit zu Österreich. Die Galerie WestLicht präsentiert nur noch kurze Zeit eine fotografische Reise in die bewegte Geschichte des jüngsten Bundeslandes. Die teils berührenden, teils witzigen und mitunter skurrilen Bilder zeigen nicht nur den burgenländischen Alltag der vergangenen 100 Jahre, charakteristische Landschaften oder die prägenden Ereignisse der Landesgeschichte. In den von Bildjournalist*innen und Studiofotograf*innen, Profis und Amateur*innen gemachten Aufnahmen spiegeln sich auch Entwicklungen wider, die weit über die Region hinausreichten: Der Nationalsozialismus und das Kriegsende, die politische Neuordnung und der Wiederaufbau, der Fall des Eisernen Vorhangs und der Aufbruch in die Moderne.
An der Demarkationslinie von Ost und West gelegen, stand das Burgenland wie kaum ein anderes Bundesland immer wieder im Fokus der Weltöffentlichkeit. Diese Grenzerfahrungen bilden den roten Faden der Ausstellung, beginnend mit der Eingliederung 1921 über die Ungarn-Flucht 1956, die Öffnung der Grenzen nach dem Kollaps der Sowjetunion 1989 bis hin zu den Flüchtlingsströmen der jüngeren Vergangenheit. „Die Fotografien erzählen nicht nur eindrucksvolle Geschichten, sie sind auch fotografisch von beeindruckender Qualität. Das ist bemerkenswert, weil viele von weitgehend unbekannten oder gar anonymen Fotografen und Fotografinnen stammen“, sagt WestLicht-Vorstand Peter Coeln. „Wir sind sehr froh, dass wir diese Schätze aus dem burgenländischen Landesarchiv, die meisten davon zum allerersten Mal, der Öffentlichkeit präsentieren können.“
Einen gegenwärtigen Blick auf die Region bieten sechs, das historische Material ergänzende zeitgenössische Positionen. In Elfie Semotans Stillleben, fotografiert in und um ihr Haus in Jennersdorf, erscheint das Burgenland als ein Ort des kontemplativen Rückzugs. Andreas H. Bitesnich gewinnt den typisch burgenländischen Landschaften durch die ihm eigene, raue Bildsprache neue Seiten ab. Francesca Catastini und Peter Coeln steuern einen Bildessay von Ateliers der rund um Jennersdorf ansässigen Künstler*innen bei. Diese Kunstwerkstätten, für die häufig alte Gebäude mit viel Gefühl und Geschick renoviert wurden, ergeben durch die historische Bausubstanz und zeitgenössische Kreativität ein ganz eigenes Flair, das man nirgendwo sonst auf dieselbe Art findet. David Schermann ist für seine Serie „About Home“ aus seiner Wahlheimat Wien in das Dorf seiner Kindheit zurückgekehrt und erzählt in Momentaufnahmen von den Alltagsritualen dieser ländlichen Gemeinschaft. Alex Lang hat am Neusiedler See einen der wenigen verbliebenen Berufsfischer, deren Familien oft seit mehreren Generationen in dem Gewerbe arbeiten, auf seiner Tour begleitet. Florian Rainer schließlich war am Höhepunkt der Flüchtlingswelle 2015 an der österreichisch-ungarischen Grenze und hat, fernab von jeglichem Sensationalismus, die Ankunft der Menschen in eindrücklichen Bildern festgehalten.
WestLicht. Schauplatz für Fotografie zählt seit 20 Jahren zu Europas führenden Fotoinstitutionen. Das Museum holt regelmäßig Klassiker der Fotogeschichte nach Wien und sorgte mit Wechselausstellung etwa zu Vivian Maier, Bruce Davidson, Diane Arbus, Edward Steichen, der Magnum Fotoagentur oder dem Phänomen Polaroid auch international für Aufsehen.
Darüber hinaus hat es sich WestLicht zur Aufgabe gemacht, auch wegweisende österreichische und zeitgenössische Fotokünstler*innen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit dem World Press Photo Contest ist alljährlich im Herbst die wichtigste Leistungsschau der internationalen Pressefotografie zu Gast. Eine ständige Ausstellung zur Geschichte der Kameratechnik macht mit einer Vielzahl seltener Exponate die Entwicklung der Fotografie von der Frühzeit um 1839 bis zur Digitalisierung erlebbar. Ergänzt durch zahlreiche Vorträge, Diskussionsveranstaltungen und auf spezielle Zielgruppen zugeschnittene Führungen, bietet WestLicht jährlich rund 50.000, vorwiegend jungen Besucher*innen einen allumfassenden Einblick in die faszinierende Welt der Fotografie. Seit der Gründung im Jahr 2001 durch den Fotografen und Sammler Peter Coeln, der das Museum nach wie vor leitet, hat WestLicht mehr als 100 Ausstellungen präsentiert. Die Ausstellung „Grenzland im Fokus“ ist nur noch bis 20. Februar 2022 zu sehen. Westlicht.
Bild ganz oben: Illmitz, Männerrunde 1970, Foto: Rudolf Herbert Berger, Quelle: Burgenländisches Landesarchiv Fotosammlung