Es kommt leider immer noch vor, dass Menschen mit Angststörungen von ihrem Umfeld nicht richtig ernst genommen und mit Ratschlägen wie „Reiß dich zusammen“ abgefertigt werden. Diese Erfahrung haben einige Teilnehmer*innen von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen, gemacht. Zum Februarschwerpunkt „Panik“ erzählen sie im Access Guide Magazin davon.
Richards* dominante Eltern wuchsen im Krieg auf: „Sie meinten diesen und die 10 Jahre Russenzeit gut überstanden zu haben, ohne traumatisiert zu sein oder psychologische Hilfe zu brauchen. Also wurde ich im Glauben erzogen, Panikattacken seien als ,Modeerscheinung‘ reine Ausreden, um nicht arbeiten zu müssen, und Burnout sei nur ein anderes Wort für normale Erschöpfung. Im Job wollte ich immer der Beste sein und 200 % geben. Mit der Zeit schlichen sich dann Magenprobleme ein. Die wurden schlimmer, als ich Nachtschichten und 16-Stunden-Tage hatte.
Körperliche Signale der ständigen Überforderung und Überlastung ernst zu nehmen, musste ich mühsam lernen. Erst half der alte Hausarzt, dann hatte ich das Riesenglück, bei den Psychosozialen Diensten eine kompetente Psychiaterin zu finden, die mich nicht mit Beruhigungsmitteln zugepulvert hat, sondern mir jahrelang wertvolle Entlastungsgespräche geboten hat. Leider ging sie dann in Pension. Die Symptome blieben auch bei Berufswechseln bestehen. Wenn ich wusste, dass ich eine berufliche Aufgabe auch bei bestem Willen und größtem Ehrgeiz nicht erfüllen würde können, und keinen Ausweg sah, bekam ich nächtelang heftigen Brechdurchfall, turbulentes Herzrasen und starkes Zittern (wie ich es nur von meiner 92jährigen Großmutter mit Parkinson her kannte). Auch völlig unmotivierte Weinkrämpfe kamen dazu – die sind für einen Mann, dachte ich, natürlich besonders beschämend.
Kurze Jobs und lange Arbeitslosigkeit wechselten einander ab. Eine sehr engagierte Beraterin vom AMS machte mich Gott sei Dank auf fit2work aufmerksam. Dort hat eine tüchtige Arbeitsmedizinerin einen absolut zutreffenden, gründlichen Befund erstellt. Und erst jetzt dachte ich mir: was sich schwarz auf weiß festhalten lässt, wird sich wohl auch lösen lassen – das wäre ja gelacht.
Heute gehe ich erfolgreich zu einer klinischen Psychotherapeutin, ohne mich in Grund und Boden zu schämen – es gibt so viele Hilfsangebote (hier in Wien, am Land schaut es düsterer aus), man muss sich nur trauen, sie auch in Anspruch zu nehmen. Auch kenne ich eine erfahrene Psychiaterin, aber da die Krankenkasse nur 20 Minuten zahlt, fehlt die nötige Zeit. Hier tut es mir sehr leid, keine finanziellen Reserven für private Konsultationen zu haben.
Der Corona-Pandemie begegne ich vernünftig, ruhig und ohne jede Panik: es ist schön und stärkt das Selbstbewusstsein, für ängstliche, alte Nachbarn einkaufen zu gehen. Und glücklicherweise hat mich jetzt ein Leih-Hund adoptiert, der mich dazu zwingt, regelmäßig spazieren zu gehen. Der ewig lange Lockdown hatte für mich den Vorteil, mich keinem Kaufrausch hingeben zu können und Geld auszugeben, das ich besser spare. Unter Menschenmassen fühle ich mich ohnedies nicht wohl.
Für einen künftigen, langfristigen Arbeitsplatz für einen Fünfzigjährigen wie mich, ist die Seuche natürlich eine Katastrophe, bei all den Konkursen, die noch folgen werden. Allerdings habe ich im hilfreichen Kurs Eranos von Phönix Project einen ganz, ganz tollen Einzelcoach mit Kompetenz, Lebenserfahrung und Realismus. Sie ist ein wahrer Glücksfall, sie glaubt an mich, fordert und fördert mich sehr. Gemeinsam werden wir das also schaffen“.
Ständige Alarmbereitschaft
Konrads* Panikattacken wurden durch ein konkretes Erlebnis ausgelöst: „In meine Wohnung wurde zweimal eingebrochen und ich wurde ausgeraubt. In der Folge war das Gefühl von Sicherheit weg. Ich bin nicht mehr aus dem Zustand der Alarmbereitschaft raus gekommen. Immer wenn jemand an meiner Tür geläutet hat – auch wenn es nur der Postler war – bekam ich heftiges Herzrasen und fühlte mich jedes Mal einer Ohnmacht nah. Ich habe diese Zustände auf den Raub zurückgeführt. Aber die Panikanfälle haben nicht aufgehört. Ich habe rund ein Jahr lang darunter gelitten.
Irgendwann ist die Angst in Wut und Hass umgeschlagen: Hass auf die Leute, vor denen ich Angst hatte und Wut auf das Gefängnis, in dem ich mich aufgrund meiner Ängste befand. Irgendwann war die Wut größer als die Angst. In dieser Zeit bekam ich ein Jobangebot im Waldviertel, das ich dann auch angenommen habe. Gemeinsam mit meiner Mutter habe ich die Jausenstation eines Naturparks übernommen. Für mich war das ein Glücksfall. Raus aus der Stadt. Endlich konnte ich richtig durchatmen und abschalten. Leider musste ich ein Jahr später wieder zurück nach Wien. Da sind die Ängste zurückgekommen. Zunächst hatte ich zwei Hunde, durch die ich mich beschützt fühlte. Die wurden mir dann aber weggenommen und obwohl ich bis zum Obersten Gerichtshof gegangen bin, um die Hunde zurück zu bekommen, hat es nichts genutzt. Ich war komplett am Ende. Letztendlich habe ich mir dann Hilfe gesucht, indem ich mich selbst in die Psychiatrie einweisen hab lassen. Mittlerweile bin ich medikamentös gut eingestellt und es geht mir gut. Ich habe keine Panikattacken mehr. Aber wenn es an der Tür klingelt, beginnt mein Herz immer noch schneller zu schlagen“.
*Name von der Redaktion geändert.