Kunst am Zaun

Hans Radl Schule © Stephan Doleschal Mid Century Vienna

Architektur und Design der 1950er bis 1960er Jahre findet man überall in Wien. Ob Wohnbauten, öffentliche Gebäude, städtische Infrastruktur oder Freizeitanlagen: Vieles aus dieser Zeit wird auch heute noch von uns allen genutzt. Karlsplatz Open Air, der Bauzaun, der den Umbau des Wien Museums als Freiluftgalerie begleitet, zeigt mit der Fotografie-Ausstellung „Mid-Century Vienna“ Wiener Design- und Architekturhighlights aus den Jahren 1950 bis 1965. Während signifikante Gebäude wie die Stadthalle oder der Ringturm, weitgehend bekannt sind, wird Mid-Century Design im Alltag gern übersehen. Das mag auch an der Formensprache liegen. Es ist keine Avantgarde, die uns hier begegnet, sondern eine konservative Moderne aus dem restaurativen politischen Klima der Nachkriegszeit – angesiedelt zwischen Beschwingtheit und Biederkeit.

Nur keine Experimente: Zum Zug kamen vornehmlich Architekten, die auch während der NS-Zeit, im Austrofaschismus oder im Roten Wien bauen durften. Die nach dem „Anschluss“ 1938 vertriebenen oder schon zuvor emigrierten Architektinnen und Architekten fanden nach 1945 in Wien kein Betätigungsfeld, eine junge Generation stand erst in den Startlöchern. Die allgegenwärtigen Zeugen des Mid-Century Design in Wien sichtbar zu machen, war das Ziel des Grafikers Tom Koch. Gemeinsam mit dem Fotografen Stephan Doleschal hat er Gebäude, Interieurs und „Stadtmöbel“ aus den Jahren 1950 bis 1965 aufgespürt.

Mosaik von Rotraut Brauneis © Stephan Doleschal MidCentury Vienna

Mosaik von Rotraut Brauneis © Stephan Doleschal Mid Century Vienna

Neben Ikonen wie dem Gartenbaukino, der Stadthalle oder dem Café Prückel sind auch weniger bekannte Beispiele des Mid-Century Design vertreten. Darunter befinden sich öffentliche Bauten wie die Hans-Radl-Schule in Gersthof, die Senderanlage Bisamberg oder das Atominstitut beim Prater, Freizeitangebote wie die Minigolfanlage am Postsportplatz in Hernals und das Bundesbad Alte Donau sowie Geschäftslokale wie „Nähzubehör Hartinger“ in der Spiegelgasse 13 im ersten Bezirk. Die Ausstellung präsentiert diese Fundstücke nach dem Baukastenprinzip: Formen, Farben und typische Materialien laden dazu ein, die Stadt mit geschärfter Wahrnehmung selbst neu zu erkunden. Das Thema passt perfekt zum Ausstellungsort: Denn das Wien Museum, 1959 als Historisches Museum der Stadt Wien eröffnet, ist ein weiteres herausragendes Beispiel für Mid-Century Design. Die Ausstellung kann jederzeit bis neunten Januar 2022 am Bauzaun des Wien Museums am Karlsplatz besichtigt werden.