Frauen und Mädchen mit Behinderungen profitieren viel zu wenig von den Initiativen der Nachhaltigen Entwicklungsziele gegen Armut, Ungleichheit und die Klimakrise. Bei der internationalen UN-Behindertenrechtskonferenz (COSP), die heuer online stattfand, luden Österreichs Vertretung bei den Vereinten Nationen und Licht für die Welt zum Fachgespräch. Expertinnen zeigten auf, wie Frauen mit Behinderungen wirksam Entwicklung gestalten können und welche Rahmenbedingungen sie dafür brauchen.
Ein Blick auf die Statistik zeigt: Inklusion und Entwicklung können nicht losgelöst von Geschlechtergerechtigkeit und Frauenrechten gesehen werden. Jede fünfte Frau auf der Welt hat eine Behinderung, bei den Männern ist es jeder achte. Unfassbare 70% aller Frauen und Mädchen mit Behinderungen erfahren in ihrem Leben Gewalt. Nur rund 20% haben die Chance auf einen Arbeitsplatz.
Als Ergebnis dieser Chancenungleichheit profitieren sie am wenigsten von den in der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung gesteckten Zielen. Die COVID-19 Krise verschärft zudem bestehende Ungleichheiten. „Durch die aktuelle Pandemie drohen Rückschritte bei den Nachhaltigen Entwicklungszielen. Gerade jetzt müssen wir deren Umsetzung sicherstellen und auch im Einsatz gegen COVID-19 Inklusion und die Menschenrechte als Standard anwenden. Dabei dürfen wir Frauen und Mädchen mit Behinderungen nicht vergessen,” betonte Botschafter Alexander Marschik, Leiter der Ständigen Vertretung Österreichs bei den Vereinten Nationen beim gemeinsamen Side Event mit Licht für die Welt.
Doppelte Unsichtbarkeit
Frauen mit Behinderungen sitzen selten an Verhandlungstischen. Dabei zeigt sich, dass dort, wo Frauen Verantwortung tragen, bessere Ergebnisse für die Gesellschaft erzielt werden. Frauen investieren tendenziell mehr in den Bildungsbereich und setzen sich eher für benachteiligte Gruppen und sozialen Zusammenhalt ein. Gleiches gilt für Frauen mit Behinderungen. Ihre Teilhabe in Entscheidungen kann wesentliche Verbesserungen für marginalisierte Menschen bedeuten. „Frauen mit Behinderungen beweisen immense Handlungsfähigkeit in der Krise. Sie unterstützen und beraten einander, sodass niemand zurückbleibt,“ unterstrich Rosario Galarza vom lateinamerikanischen Netzwerk der Menschen mit Behinderungen bei der Veranstaltung.
Inklusion und Gendergerechtigkeit
Ergebnis des online Fachgesprächs im Rahmen der UN-Konferenz ist ein klarer Auftrag zur Stärkung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Diese sollten gut über ihre Rechte Bescheid wissen und mehr Mitsprache bei der Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele haben. Dabei sind die Vereinten Nationen, Regierungen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen gleichermaßen gefordert. Organisationen von Frauen mit Behinderungen spielen eine tragende Rolle bei der Interessensvertretung und müssen gestärkt werden. In Burkina Faso (im Bild) beispielsweise arbeitet Licht für die Welt mit der nationalen Union der Frauen mit Behinderungen (UNAFEHB) zusammen, damit diese die Rechte der Frauen und Mädchen mit Behinderungen besser vertreten kann.
Frauen mit Behinderungen müssen in der Politik und in internationalen Gremien sichtbar sein. Bei der COSP wählten die Staatenvertreter*innen nun erstmals mehr weibliche Mitglieder in den internationalen Fachausschuss zur Behindertenrechtskonvention. Das ist richtungsweisend für die zukünftige Themensetzung. Erfolgreiche Partizipation von Frauen mit Behinderungen erfordert inklusive Strukturen. Hier sind ganz besonders entwicklungspolitische Organisationen gefordert, in ihren Gender-Richtlinien auf Frauen mit Behinderungen einzugehen und Barrierefreiheit in allen Prozessen sicherzustellen. Moderatorin Yetnebersh Nigussie vom Global Action on Disability Netzwerk wandte sich zum Abschluss des Events mit einer eindringlichen Botschaft an alle AkteurInnen: „Ich habe einen Auftrag an uns alle. Wenden wir das Blatt, indem wir unsere Versprechen an die Frauen mit Behinderungen endlich umsetzen, durch gezielte Unterstützung und finanzielle Mittel“.