Stimmt es, dass die Menschen im Wohnpark Alterlaa zu den glücklichsten Wiens zählen? Nicola Heissig und Denise Brustmann, zwei Praktikant:innen des Access Guide Magazins haben vor Ort nachgeforscht.
Der Wohnpark Alterlaa ist ein Projekt der Superlative: Die 27 Stockwerke hohen Wohntürme im Süden Wiens bieten Platz für eine ganze Kleinstadt. Sie verfügen über Swimmingpools am Dach, Hallenbäder, Einkaufs- und Medizinzentren und bieten „das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl“. So lautete die Devise des 2016 verstorbenen Architekten Harry Glück. Dem Bau-Visionär brachten seine sozialen Wohnbauten weltweite Anerkennung. Erst im Vorjahr berichtete die New York Times am Beispiel des Glück-Baus euphorisch über den Wohnungsmarkt der Bundeshauptstadt.
Harry Glück war es wichtig, den hier lebenden Menschen ein Umfeld zu bieten, das es möglich macht, alle Wege des täglichen Lebens zu Fuß bewältigen zu können. Die interne Infrastruktur des Wohnparks gilt als ausgezeichnet. Neben den eingangs erwähnten Sportstätten werden vor allem die Gemeinschaftsräume sehr gut angenommen. Im Haus gibt es über 30 Vereine, die für die Bewohner:innen kostenlos nutzbar sind.
Die Wiener Regisseurin Bianca Gleissinger ist im Wohnpark Alterlaa aufgewachsen. Im Vorjahr kam ihr Dokumentarfilm „27 Storeys“ in die Kinos. Darin schaut sie als Erwachsene zurück auf die von ihr über alles geliebte Wohnstätte ihrer Kindheit: Sie besucht den Flugzeugmodellbauclub im Keller, die Bridge-Runde, versucht sich beim Schießen im Schießverein und schaut in dem von einem Ehepaar betriebenen Freddy Quinn-Museum vorbei. Gleissinger zeigt aber nicht nur die positiven Aspekte des Wohnbaus, sondern wirft auch einen kritischen Blick auf die einst romantisch, soziale Utopie von Alterlaa. Diese beruht nämlich auf dem tradierten Familienmodell Mann-Arbeit/Frau-Mutter und ist damit nur noch bedingt zeitgemäß. („27 Storeys“ ist momentan im Filmcasino zu sehen).
Eine Siedlung, drei Blöcke
Die auffallend großen, mit Pflanzen bestückten Bauten des Wohnparks Alterlaa sind ein Hingucker und wer in Wien lebt, hat sie zumindest schon einmal im Vorbeifahren beäugt. Unterteilt wird die Wohnsiedlung in die Blöcke A, B und C. 1976 wurde das Bauprojekt mit dem A-Block gestartet und nach knapp einem Jahrzehnt, 1985 wurde es mit dem C-Bock abgeschlossen. Seit dem Jahr 1995 ist der Wohnpark durch eine zu Fuß erreichbare U-Bahn-Station verbunden. Die Bauten wurden nach dem Prinzip eines gestapelten Einfamilienhauses errichtet und bestehen bis zum 12. Stockwerk aus Terrassenwohnungen. Alle darüberliegenden Wohnungen verfügen über mindestens eine Loggia. Die gesamte Wohnfläche umfasst 24 Hektar. Momentan leben über 10000 Menschen in den 3000 Wohnungen. Leerstand gibt es kaum, im Gegenteil, für frei werdende Wohnungen existieren lange Wartelisten.
Kritik von links und rechts
Gelobt wie kritisiert wurde und wird das Projekt, trotz des großflächigen Zuspruchs der Bevölkerung, von allen Seiten und politischen Lagern. So wurde Glück von der politisch Rechten vorgeworfen, dem Proletariat mehr Wohlstand zuzusprechen, als aus Sicht der Konservativen notwendig gewesen wäre, während die politisch Linke nicht angetan war davon, dass der, damals ungewohnte Luxus der Bevölkerung den revolutionären Schwung aus den Flügeln nehmen könnte.
Für Harry Glück war die oberste Maxime beim Bau des Wohnparks: „Die Bewohner:innen und deren Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt“. Das wissen die Menschen auch heute noch zu schätzen. Die Befragung einiger Bewohner:innen machte deutlich, dass die Alterlaaer Bauten nach wie vor ihrem Ruf gerecht werden.
Das Leben ist schön
Der elfjährige Freddi wohnt seit vier Jahren in Alterlaa und ist „sehr zufrieden mit sämtlichen Wohnbereichen“. Ganz besonders schätzt er die großen Parkanlagen und dass er „überall zu Fuß hingehen kann. Der 70-jährige Gregor lebt schon seit 30 Jahren hier. Seine Begeisterung für Alterlaa ist ungebrochen: „Am besten gefallen mir die Erreichbarkeit und die Lage der Siedlung. Mit der U-Bahn ist man schnell in der Stadt und auch die Autobahn ist gleich ums Eck“, schwärmt der Pensionist. Außerdem sei der „Ausblick sehr toll und wenn es regnet, geht man einfach durch die Garage zum Einkaufen“. Manchmal begegnet Gregor dort auch Leuten in Bademänteln, die zu einem der Pools oder in die Sauna unterwegs sind. Und überhaupt kennt man sich: „Es ist wie in einem Dorf“. Gregor selbst ist durch Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis auf das Wohnungsangebot von Alterlaa aufmerksam geworden. Er und noch einige andere Befragte haben vor Alterlaa meist schlechtere Wohnerfahrungen in Wien gemacht. Schimmel, zu kleine Wohnungen oder ungenügende Infrastruktur scheinen Probleme zu sein, die es im Wohnpark nicht gibt.
Was bleibt, was fehlt
Aber es gibt auch Misstöne: Das Veränderungsbedürfnis der Wohnhausanlage halte sich nach Meinung einiger Bewohner:innen in Grenzen, für manche habe sich gar ein gewisser Mangel an Sauberkeit und Gebäudepflege bemerkbar gemacht, seit der letzten großen Welle an neu zugezogenen Bewohner:innen. Gerda, eine Hundebesitzerin um die 60, die gerade ihren „Struppi“ ausführt, meint etwa: „Durch die Zuwanderung ist es hier schlampiger geworden und es liegt viel Müll herum und alte Möbel bleiben im öffentlichen Raum zurück. Ich würde mir wünschen, dass die Polizei öfter einen Rundgang macht, um für Sicherheit zu sorgen und ab Oktober sollte es Schießkontrollen für Böller geben, denn die Hunde, sind so arm, weil sie Angst davor haben.“
Einig sind sich aber alle Befragten bezüglich der Highlights: Der Wohnpark punktet mit seiner guten Lage innerhalb Wiens und der vorhandenen Infrastruktur. Ein weiteres Plus seien zudem die großen Distanzen zwischen den Wohnhäusern und die damit ermöglichte Privatsphäre. Alles in allem hat das dem Wohnbauprojekt Alterlaa zu jenem Erfolg verholfen, der nicht nur in Wien, sondern in der ganzen Welt Anerkennung findet. Noch heute gilt der Wohnpark als international einzigartig in seiner Qualität und Leistbarkeit für die Mittelschicht. Und ja: Die Menschen in Alterlaa scheinen tatsächlich glücklich zu sein.