Die Wiener Albertina widmet Florentina Pakosta (*1933 in Wien) anlässlich ihres 85. Geburtstags eine groß angelegte Retrospektive mit über 100 Werken. Über Jahrzehnte hinweg hat sie kontinuierlich wie konsequent feministische Positionen und Anliegen vertreten. Die Künstlerin befasst sich im Gegensatz zu anderen Vertreterinnen der Feministischen Avantgarde nicht mit dem eigenen Körper als Projektionsfläche, sondern mit denen mächtiger Männer. In ihren Satirischen Arbeiten prangert sie patriarchale Machtstrukturen an, indem sie sie überzeichnet. Von Anfang an stehen dabei die Rolle(n) der Frau und ihre Ungleichheit im Verhältnis zu jener der Männer im Fokus. Diese Thematik zieht sich als roter Faden durch ihr gesamtes Werk: In surrealen Körperstudien verschmelzen die Personen mit Accessoires ihrer Eigenschaften und werden so zu Hybridwesen aus Toilettenschüsseln, Scheren, Skalpellen oder Waffen.
Physiognomie der Macht
Die Ausstellung in der Albertina spannt einen großen Bogen von den 1970er-Jahren bis in die unmittelbare Gegenwart, von Anfang an ist Florentina Pakosta politisch und gesellschaftlich engagiert. Die Künstlerin konzentriert sich weitgehend auf das Medium Zeichnung. Inhaltlich reicht das Spektrum ihrer Themen von akribisch ausgearbeiteten physiognomischen Studien und surrealistisch verfremdete Körperbilder bis hin zu monumentalen Porträtzeichnungen. In surrealistischer Manier kombiniert sie die Physiognomien mit Schraubstöcken, Sägen oder Messern, verformt Lippen zu Vogelschnäbeln oder setzt ihren Figuren Gegenstände als eigenartige Trophäen auf dem Kopf, die diese männlichen Karikaturen der Macht entzaubert und demaskiert. In großformatigen Zeichnungen studiert sie in Anlehnung an den Bildhauer Franz Xaver Messerschmidt (1736–1783) Grimassen und Masken als Ausdruck von geschlechtercodiertem Machtverhalten. Erst Ende der 1970er-Jahre beginnt sie, auf Leinwand zu arbeiten, und es dauert etliche weitere Jahre, bis schließlich Farbe Eingang in ihr Werk findet. In ihren Menschenmassen und Warenlandschaften thematisiert sie in den 1980er-Jahren in ihren Bildern die Auflösung des Individuums in der Masse und das Verschwinden des Subjekts.
Immer wieder begegnen wir den Selbstbildnissen, die Florentina Pakosta mal ernsthaft, mal selbstbewusst, mal kämpferisch zeigen. 1976 erscheint ihr Porträt hinter einem Maschendrahtzaun, ausgegrenzt, als Beobachterin von außen, der der Zugang zur Kunstwelt verwehrt bleibt. In dem Selbstbildnis „Zungenschlag” hingegen stellt sich mit geöffnetem Mund dar, aus dem ein Arm mit geballter Faust herausschnellt. Florentina Pakosta verkehrt die tradierte Rollenverteilung zwischen Mann und Frau. Über Jahrhunderte hinweg war es der männliche Künstler, der die (oftmals nackte) Frau porträtierte. Es war der männliche Blick auf Brüste, Genitalien und weibliche Rundungen, der das Bild der Frau in der Kunstgeschichte prägte und für die Nachwelt festhielt. Florentina Pakosta dreht die Blickrichtung um: Sie richtet als Künstlerin den Blick auf den Mann und erkennt in ihm den Willen zur Macht, zur Dominanz. In einer Reihe von Zeichnungen konzentrierte sie sich ausschließlich auf das männliche Geschlecht, schaut gerade dort und nur dort hin: Eine Perspektive, die das Gemächt entzaubert.
Abstraktion und Farbigkeit
Ab etwa Mitte der 1980er-Jahre wendet Florentina Pakosta sich von den schwarz-weiß gehaltenen und gegenständlichen Arbeiten nach und nach einer geometrisch-abstrakten Formensprache zu. In ihren stets dreifarbigen, so genannten Trikoloren Bildern, die sie bis heute fortführt, prallen Farben in derart energetischen Konfrontationen aufeinander, dass ihr Anblick regelrecht schmerzhaft ist. Die Entwicklung von figurativen Darstellungen hin zu einer reinen, gegenstandsfreien Malerei, die nur mehr aus farbigen, geometrischen, linearen Gitterstrukturen besteht, überrascht. Doch eint diese beiden unterschiedlichen Bilderwelten eine starke Klammer: der stets gegenwärtige Bezug auf gesellschaftliche Verhältnisse. Auch in den abstrakten Werken offenbaren sich Strukturen männlich und aggressiv dominierter undurchdringlicher Netzwerke. Ein mutiger und radikaler Schritt, der für Florentina Pakosta keinen Bruch mit dem bisherigen Schaffen bedeutet: „Im geglückten Zusammenspiel fordern die drei Farben vom Betrachter emotionale Flexibilität, Assoziationsvermögen, Imaginationskraft und Abbau verkrusteter Denkmodelle und Vorurteile.” Die Ausstellung ist noch bis 26. August 2018 zu sehen.