Seit zwei Jahren veranstaltet Lillis Ballroom barrierefreie Tanzworkshops. Mitte April eröffnete das Studio eine eigene Location in den Spittelauer Stadtbahnbögen. Gelehrt und gelernt wird dort mit einem neuen Ansatz, der gemeinsam mit blinden und sehbeeinträchtigen Menschen entwickelt wurde.
Wenn sich Lilli Beresin mit ihrem Tangopartner über die Tanzfläche bewegt, dann ist es ein bisschen wie Schweben. Das Gesetz der Schwerkraft scheint für die beiden nicht zu gelten. Was sie antreibt ist Leidenschaft und Hingabe für den wohl erotischsten Tanz der Welt. Diese Faszination war auch dafür ausschlaggebend, dass die gebürtige Wienerin ihr Hobby zum Beruf gemacht hat. Einfach war das freilich nicht. Lilli Beresin ist nämlich seit ihrer Geburt stark sehbeinträchtigt. „Im Lauf meiner Tanzkarriere bin ich dadurch immer wieder an die Grenzen der Ausbildungsmöglichkeiten gestoßen“, sagt die Wienerin. Trotzdem hat sie sich nie unterkriegen lassen, sondern ist mit jeder neuen Herausforderung gewachsen. Um auch andere Menschen an ihrer persönlichen Erfahrung teilhaben zu lassen, initiierte Beresin vor zwei Jahren die barrierefreie Tanz-Workshops von Lillis Ballroom. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie ein eigenes Ausbildungsprogramm erarbeitet, das sehende und nicht-sehende Menschen im Tanz verbindet. „Unser Ziel ist es, Mut zu machen, Menschen zusammenzubringen und aufzuzeigen, welche neuen Räume das Tanzen eröffnet und wie viel Freude es bereitet – für alle Tänzerinnen und Tänzer gleichermaßen“, erklärt die Kunsttherapeutin Petra Schön, die gemeinsam mit Lilli Beresin, PR-Spezialistin Beate Schläffer und dem Tanzpädagogen Juan Lange das inklusive Ballroom-Konzept entwickelt hat.
Um den Paartanz spürbar und verständlich anzuleiten, hat Lillis Ballroom mit blinden und sehenden Menschen eine eigene Ausbildungsmethode entwickelt und das erste Team von Trainerinnen und Trainern bereits selbst ausgebildet.
Neue Perspektiven entdecken
„In der heutigen, durch virtuelle Werte bestimmten Zeit wird es immer wichtiger, sich wieder auf´s Fühlen zu verlassen“, ist die Ballroom-Crew überzeugt. In den Kursen tanzen sehende Menschen deshalb mit Augenmasken, um zu erfahren, wie es ist, blind zu sein: „Durch das temporäre Ausschalten des Sehsinns werden alle übrigen Sinne geschärft und die Achtsamkeit trainiert“, erklärt Petra Schön. Über das übliche Nachahmen von Schrittmustern hinaus entsteht durch den Fokus nach innen ein „Flowgefühl“ und gemeinsam mit dem Gegenüber eine Tanzsprache, die die bekannten Latin-Tänze neu, unmittelbar und befreit erleben lässt. Ein Mehrwert, der vor allem sehenden Tänzerinnen und Tänzern eine überraschende Wahrnehmungsebene aufzeigt.
Getanzt werden in Lillis Ballroom vor allem „Latin Roots“, die mit Schrittsystemen und Musik aus Lateinamerika, Afrika und der Karibik zu den Urformen des Paartanzes führen – dorthin wo das Gefühl und die Geschichten rund um die Tänze zu Hause sind. Mit Elementen aus unterschiedlichen Social Dances bieten die Latin Roots ein Bewegungs-Instrument, das dem Tanzpaar ermöglicht, mit einfachsten Schritten zu einer Vielzahl von Musikstilen zu tanzen. Unterstützt wird das tänzerische Angebot durch eine Reihe von Workshops, die die Wahrnehmung und das Körperbewusstsein stärken, die Beweglichkeit fördern, zu Individualität und Improvisation ermutigen sowie Rhythmusgefühl aktivieren. Termine & Veranstaltungen gibt es hier.