Hunde tragen erwiesenermaßen zum Wohlbefinden des Menschen bei. Daniela Eva Rauch ist systemische Tierkommunikatorin und arbeitet sowohl in der Persönlichkeitsentwicklung als auch in der Psychotherapie tierassistiert. Im Interview gibt sie Einblicke in ihre Arbeit und die psychologische Wechselwirkung zwischen Mensch und Tier.
Access Guide Magazin: Sie sind systemische Tierkommunikatorin und haben einen Therapiebegleithund. Wie arbeiten Sie genau?
Daniela Eva Rauch: In meiner Arbeit geht es darum, die systemischen Ebene der Mensch-Tier-Beziehung anzuschauen. Die aktuelle Lebenssituation des Menschen wird oftmals durch das Tier gespiegelt. Als Coach kann ich am Verhalten des Tieres erkennen, ob und wo es Handlungsbedarf gibt. Auf Stress reagieren Hunde mit Veränderungen wie beispielsweise anderen Verhaltensweisen als gewohnt, Appetitlosigkeit oder zu viel bzw. zu wenig Schlaf. Wenn sich ein Hund nicht auf seinem üblichen Aktivitätslevel benimmt, kann eine organische Krankheit dafür verantwortlich sein oder aber psychischer Stress und Belastung der Besitzer*in.
Access Guide Magazin: Wann suchen Hundebesitzer*innen Ihre Hilfe?
Daniela Eva Rauch: Meine Arbeit beginnt oftmals dort, wo Hundetrainer*innen aufhören, deren Aufgabe es ist erwünschtes Verhalten durch Training zu fördern bzw. zu korrigieren. Es ist leider oft so, dass sich Hundetrainer*innen umsonst bemühen, weil die Besitzer*innen in der Umsetzung nicht konsequent genug oder unachtsam sind. Hunde reagieren sehr sensibel auf die Gemütslage ihrer Besitzer*in. Wenn der Mensch gestresst ist oder wütend, dann gibt er das unbewusst an den Hund weiter. Am Hund lässt sich daher gut erkennen, wie es dem Besitzer*in geht. Bei artgerechter und liebevoller Behandlung kann ein Hund auch schlechte Erfahrungen kompensieren oder vergessen. Ich habe alle meine Hunde aus dem Tierschutz geholt. Mein Hund Diego ist im Wald ohne Kontakt mit Menschen aufgewachsen. Es ist mir gelungen ihn zu sozialisieren, er ist jetzt 13 Jahre alt. Das zeigt, was für ein großes Entwicklungspotential Hunde mitbringen.
Access Guide Magazin: Was können Hunde zum seelischen Wohlbefinden beitragen?
Daniela Eva Rauch: Allein durch das Streicheln der Hunde beruhigt sich der menschliche Organismus. Durch ihre bedingungslose Zuneigung, die sich allein bei der überschwänglichen Begrüßung zeigt, lösen Hunde Freude aus oder bringen Menschen zum Lachen. Hunde können Menschen ganz unmittelbar berühren. Das gelingt auch im Therapiekontext. Hunde sind gut geeignet Menschen mit Selbstwertproblemen zu unterstützen. Wenn Therapiebegleithunde beispielsweise in der Schule eingesetzt werden, haben sie ein Gespür dafür, sich mit den schüchternen Kindern zu beschäftigen. Das hilft generell beim Beziehungsaufbau und der Teambildung im therapeutischen Setting, aber auch bei der Arbeit mit Menschen mit Behinderung oder in Pflegeheimen. Sowohl für kognitiv gesunde, als auch demente Menschen ist Berührung das Wichtigste überhaupt. Und dieses Bedürfnis nach Berührung können Hunde erfüllen.
Access Guide Magazin: Bei welchen psychischen Erkrankungen können Hunde helfen?
Daniela Eva Rauch: Ich setze meine Therapiehündin Topolina ein bei Menschen, denen es schwerfällt, sich gefühlsmäßig zu äußern. Topolina kann den Schmerz der Klient*innen fühlen und hilft ihnen dabei, sich aufgefangen zu fühlen. Hunde helfen bei leichten bis mittelgradigen Depressionen, Burn Out, Traumaerfahrungen, Angststörungen und generell dort, wo die Kontaktaufnahme mit anderen Menschen gestört ist. Bei Einsamkeit, die immer mehr Menschen betrifft, wirken Hunde Wunder. Mit einem Hund können Menschen jeden Alters grundsätzlich die Erfahrung machen, dass sie wertvoll sind. Hunde geben außerdem Stabilität und Sicherheit, weil man sich nicht allein fühlt. Und Hunde fordern und fördern auch Verantwortung, man muss sich um sie kümmern und täglich mit ihnen raus. Hunde sind daher auch ausgezeichnete Gesundheits-Coaches durch die notwendige regelmässige Bewegung im Freien. Das hilft gegen Antriebslosigkeit und Lethargie. Ich halte es dabei mit Viktor Frankl, der gesagt hat: Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.
Access Guide Magazin: Was macht die Beziehung zwischen Mensch und Hund so besonders?
Daniela Eva Rauch: Hunde studieren uns Menschen schon seit vielen tausend Jahren. Sie sind gute Körpersprachenleser und durchschauen, wenn jemand lügt oder sich verstellt. Wenn ein Mensch z.B. Angst vor einem Hund hat, sollte er das ohne weiteres zugeben und nicht den Starken markieren. Der Hund kann nämlich den Angstschweiß riechen, nimmt auch die scheinbar starke Körperhaltung wahr und reagiert vielleicht angriffig weil ihn das verunsichert. Von Hunden kann man auch viel für die Führungsebene lernen. Eine Alpha-Hündin wird z.B. nur dann dominant, wenn es nötig ist. Die meiste übrige Zeit verhält sie sich unauffällig.
Access Guide Magazin: Welche Voraussetzungen sollte ein angehender Therapiehund haben, was muss er können?
Daniela Eva Rauch: Ein Therapiebegleithund sollte unbedingt eine gute vertrauensvolle Bindung an die Besitzer*in haben. Er sollte Menschen mögen und vom Charakter her sollte ein Therapiehund möglichst ruhig und stabil sein, weder übergriffig noch ängstlich und idealerweise neugierig und verspielt. Ein Therapiehund muss sämtliche Grundkommandos beherrschen, wie „Sitz“, „Bleib“, „Stop“ und „Platz“ etc. No-go’s sind zum Beispiel Menschen anbellen, anspringen, Leckerli grob nehmen. Die Ausbildung zum Therapiebegleithund dauert zirka eineinhalb Jahre. Die staatlich anerkannte Therapiebegleithundeprüfung wird vom Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni Vienna durchgeführt und muss jährlich erneuert werden.
Access Guide Magazin: Was sollte man im Vorfeld beachten, bevor man sich einen Hund zulegt?
Daniela Eva Rauch: Auf alle Fälle sollte man um die Verantwortung wissen, die das bedeutet: Ein Hund ist ein Gefährte, ein Familienmitglied und sollte auch so behandelt werden. Wichtige Fragen vor der Anschaffung eines Hundes sind: „Was kann ich einem Hund bieten“, „Was erwarte ich von meinem Hund?”, „Wieviel Zeit hab ich?“, „Komme ich alleine mit einem Hund zurecht oder gibt es andere Familienmitglieder?“, „Kann ich mir einen Hund finanziell leisten?“ oder „Bin ich besonders pedantisch was die Sauberkeit meiner Wohnung angeht?“. Ein Hund ist ein hochgradig soziales Wesen. Er braucht nicht unbedingt einen eigenen Garten, aber umso mehr den Menschen. Das Schlimmste, was man einem Hund antun kann ist, ihn täglich lange alleine zu lassen. Ein Hund braucht sein Rudel. Wer all das beachtet, wird das Leben mit einem Hund als unglaubliche Freude und Bereicherung erleben.
Access Guide Magazin: Danke für das Gespräch!
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