Vom Wert der Tiere

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Die Rechte der Tiere finden zwar immer mehr Beachtung, dennoch wird ihr Wert sehr unterschiedlich bemessen. Für Hunde und Katzen scheuen deren Besitzer*innen oft keine Kosten. Bei Nutz, – und vor allem Schlachttieren sieht die Sache anders aus. Selbst ausgewiesene Tierfreund*innen kaufen ihr Schnitzel gerne zum Billigstpreis. Bine, David, Dario und Werner V. haben sich vor diesem komplexen Hintergrund dem Thema Mensch und Tier gewidmet.

Werner V.* schreibt: „Der tägliche Weg zum Stall und auf die Felder war unser täglich Brot. Wir mussten stets drauf achten, dass die Tiere was zu essen haben, um einen Großteil des eigenen Bedarfs zu decken. Es war teilweise mühsam, doch genauso bereichernd mit den Tieren auf eine Weise umzugehen, die Wertschätzung des eigenen Bedarfs. Auf Augenhöhe sozusagen. Einer Kuh dabei zuzusehen, wie sie ihr Jungtier durch den Hintern presst war ein verstörendes Bild als Kind.

Die Schlachtungen, das Blut spritzen sehen, wenn die Sau nicht sofort an der richtigen Stelle erwischt wurde, ist immer noch Teil des Schreckens in meinen Erinnerungen. Ich hatte einen Lieblingshasen, doch als der eines Tages an der Garagentür hing, mit dem Schussapparat wehrlos an seinen Pfoten an den Rahmen genagelt hang, wurde mir kotzübel. Zu diesem Tier hatte ich eine besondere Zuneigung entwickelt. Kuscheln und Spielen. Dabei zuzusehen, wie einem geliebten Tier die Haut abgezogen wird, war unerträglich.

Ich verstand die Motivation dabei, doch warum genau mein Liebling? Als der Kadaver köstlich aufbereitet auf dem Küchentisch lag, war meine Liebe zu meinem Vater unantastbar zerstört. Mir war klar, dass wir nicht viel Geld hatten und Schlachten Teil der Selbstversorgung war. Die Genüsse aus den Milchprodukten, Futtermittel selbst anbauen, bei der Herstellung und beim Ursprung dabei sein, machen für mich bis heute in emotionaler Erinnerung einen unbeschreiblichen Geschmack bei derartig hergestellten Lebensmitteln. In vielerlei Hinsicht waren mir die Tiere ans Herz gewachsen und ich habe dadurch eine unscheinbare, aber doch weit über den Tod hinaus immer noch innige Beziehung zu meinem Großvater. In der Art, wie er mit den Tieren umging, war für mich eine klare Wertschätzung der Lebewesen spürbar. Das sind Erinnerungen die mich auch heute noch begleiten. Ich möchte Tiere mit Verantwortung und Wertschätzung begegnen und sie auch so behandeln“.

Bedingungslose Liebe

David* beleuchtet die Vorzüge eines Haustiers am Beispiel seines Katers Chicco: „Seit ich klein war, habe ich mir ein Haustier gewünscht und als dann die Katze einer Freundin Junge bekam und sich meine Mutter und ich in die Katzenbabys verliebt hatten, bekam ich endlich einen drei Monate alten schwarzweißen Kater mit einem Schönheitspunkt im Gesicht, der mein Leben zutiefst veränderte. Ich hatte zuvor im meinem Leben meistens die Erfahrung gemacht zu viel für andere und nicht richtig zu sein, mich verstellen zu müssen um irgendwie akzeptiert zu werden. Doch bei Chicco bemerkte ich, dass ich einfach nur ich sein konnte. Ich fühlte mich von ihm zum ersten Mal nicht bewertet, er war bei mir und schenkte mir seine Aufmerksamkeit und ich hatte das Gefühl, als würde er mir wirklich zuhören.

Bild von Pitsch auf Pixabay

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Ich war für ihn da, streichelte und massierte ihn, gab ihm all die Aufmerksamkeit und Liebe die ich hatte und er war gleichzeitig für mich da, wenn ich wieder mal traurig war, weil ich mich von allen anderen nicht verstanden fühlte. Dann kam der Kater zu mir oder stand vor meiner Zimmertür: es war als würde er genau merken, dass ich gerade jemanden brauchte. Sie schmiegte dann ihren Kopf an mein Gesicht, legte sich auf meinen Brustkorb oder versuchte mich abzuschlecken. Chicco war immer da und er war super feinfühlig! Nie hatte ich eine tiefere, ehrlichere und echtere Beziehung als mit ihm. Chicco war für mich wie ein großer Bruder, ein Mentor oder was immer, ich liebte ihn mehr als alles andere. Er lag einfach da, genoss die Sonne und die Zeit, schnurrte und putzte sich, bei ihm konnte ich mich entspannen, er entschleunigte mich und gab mir die Ruhe, die ich sonst nirgends fand.

Ich war immer in Bewegung, doch mit ihm konnte ich einfach sein. Ich musste mich nicht verändern, verstellen oder weiterentwickeln, sondern fühlte mich genauso angenommen wie ich war. Chicco gab mir Selbstvertrauen zurück rund um Mobbing und Gewalt in meinem Leben. Er war zusammen mit der Musik das Einzige was mir Halt gab. Ich habe nie gelernt wie man liebt, andere sehr stark verurteilt und abgewertet genauso wie es zu Hause auch bei mir gemacht worden ist, doch durch ihn habe ich die Bedeutung von Akzeptanz verstanden. Er hat mir gezeigt was Liebe ohne die ganzen Bedingungen und Pflichten bedeutet. Er hat mir gezeigt, dass ich liebenswert bin und es verdiene zu lieben und geliebt zu werden ohne mich verstellen zu müssen. Danke Chicco du hast mein Leben verändert und mir die Hoffnung in mich selbst zurückgegeben, ich liebe dich“.

Mein Hund und ich

Darios* Zusammenleben mit seinem Hund war auf die unterschiedlichste Arte und Weise wunderschön: „Am Morgen beim Aufstehen waren wir beide noch müde und es dauerte eine Weile bis wir in die Gänge gekommen sind. Ich gab ihn ein paar Leckerlies und frisches Wasser, damit er sich wohl fühlt. Er war immer schneller munter als ich und bereit für einen Spaziergang. Damit es ihn nicht zu sehr stört, hatte er anstatt eines Halsbandes ein Geschirr. Sobald wir die Wohnung verlassen hatten, war er komplett in seiner eigenen Welt. Er stolzierte glücklich seines Weges und war durch nichts mehr abzulenken.

Peppi

Gassi gehen © Ute Fuith

Vor anderen Hunden fürchtete er sich meistens. Wahrscheinlich wegen seines ruhigen Charakters. Manche Tage gingen wir eine große Runde und andere Tage war eher nur eine kleine Runde angesagt. Wenn es stärker regnete, weigerte er sich oft das Haus zu verlassen um nicht all zu nass zu werden. An anderen Tagen wiederum war es, als ob es ihm egal ist. Er hatte beim Gassi-Gehen immer sein ganz eigenes Tempo und fungierte oft auch als Anführer. Entschlossen fand er stets den Weg an den er sich begeben wollte. Am schönsten fand er es, wenn es geschneit hat. Er steckte seine Schnauze in den Schnee um ihn zu riechen. Es war als ob ihm der Schnee am Boden besonders glücklich machte. Er hatte immer einen seitlich versetzten Gang der ihn in einem steten Tempo laufen ließ. Ich bin glücklich, dass ich ihn hatte“.

Ich vermisse ihn sehr

Bine* erinnert sich immer noch an den ersten Spaziergang mit ihrem Hund: „Es ist 13 Jahre her als ich Auron, einen braunen Labrador, das erste Mal an der Leine führen durfte. Überall Schnee, es war Februar und ich stockbesoffen. Ich stolperte über meine eigenen Beine und fiel auf den frostigen Boden. Auron schleckte über mein Gesicht und erfreute sich an meiner Ungeschicktheit, was für ein Dödel dachte ich mir, doch so herzig wie er wedelte konnte ich ihm verzeihen.

Es blieb nicht bei einem Spaziergang, wir verbrachten viele Jahre miteinander. Nachts hatte er Albträume, die ich mit einem Leckerli, das ich ihm unter die Nase hielt, stoppte. Er war einfach ein Vielfraß. Täglich kochte ich ihm Hühnerfleisch und Kartoffeln, da er das Hundefutter aus der Konservendose nicht mehr vertrug. Nervig, aber es hat ihm immer geschmeckt und selbst ein Antischlingnapf konnte sein Tempo beim Essen nicht drosseln.

So vergingen die Jahre und er wurde älter und seine Beine schwächer. Auch konnte er seine Blase nicht mehr kontrollieren und es wurde richtig anstrengend, fünf Mal am Tag Gassi zu gehen. Letztendlich entschlossen wir uns, ihn einzuschläfern bevor es noch schlimmer werden sollte. Eine sehr schwere Entscheidung und es ging alles viel zu schnell. Ich vermisse ihn sehr … Seine Asche steht noch im Wohnzimmer“.

*Bine, David, Werner V. und Dario (Namen geändert) sind Teilnehmer*innen von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.