Von Meidling in die USA

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Das Jüdische Museum Wien widmet sich in der aktuellen Austellung der bewegten Lebensgeschichte von Stefan Edlis, der mit 16 Jahren mit seiner Mutter und seinen Geschwistern aus Wien flüchten musste und in den folgenden Jahrzehnten in den USA zu einem der international bedeutendsten Sammler zeitgenössischer Kunst wurde. Die bewegende und gleichzeitig abenteuerliche Lebensgeschichte von Stefan Edlis führt vom 12. Wiener Gemeindebezirk in die Vereinigten Staaten: Mit 16 Jahren konnte er 1941 mit seiner verwitweten Mutter und seinen beiden Geschwistern aus Wien flüchten. Die jahrelangen vergeblichen Bemühungen der Familie zu Verwandten in die USA zu gelangen, ermöglichten eine Flucht erst in letzter Minute.

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Familie Edlis: © Privatbesitz Familien Edlis Wassner und Motz Warburton, Foto Bronislawa Wistreich

In den USA wartete ein schwieriger Start in ein neues Leben. Stefan Edlis schloss sich der US Navy an und wurde nach der Schlacht um die japanische Insel Iwojima dort eingesetzt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und seiner Rückkehr in die neue Heimat begann Stefan Edlis in einer kleinen Werkzeugfirma zu arbeiten. In seiner Freizeit zeichnete er, beschäftigte sich mit Edelsteinen und entwickelte sich zum passionierten Volkstänzer, aber auch Rennfahrer. Durch viel Geschick und Talent gelang es ihm, Werkzeug aus Plastik herzustellen. In der Folge gründete er „Apollo Plastics“, eine Plastikfabrik, die u. a. Bestandteile für elektronische Geräte herstellte und die ihm unfassbaren Erfolg und ein Vermögen einbrachte.

Edlis wurde zu einem der international bedeutendsten Sammler und Förderer zeitgenössischer Kunst. Gemeinsam mit seiner Frau Gael Neeson baute er eine spektakuläre Sammlung auf, in die er auch provokante Kunstwerke aufnahm. Eine besondere Freundschaft verband Stefan Edlis mit Maurizio Cattelan. Von künstlerischem Genie bis zu Kunstclown oder sinnlosem Provokateur reichen die Beschreibungen des italienischen Künstlers. In seiner Karriere hat er immer wieder mit überraschenden Werken für Aufregung gesorgt: ausgestopfte Pferde, die mit ihren Köpfen in einer Wand stecken, eine Wachsfigur von Papst Johannes Paul II., die von einem Meteoriten getroffen auf dem Boden liegt, eine goldene Toilette und zuletzt eine echte Banane, die er mit einem breiten Gafferband an die Wand klebte und die um 120.000 Dollar verkauft wurde.

David Bohmann

„Him“ © David Bohmann

Sein wohl am meisten diskutiertes Werk „Him“ entstand im Jahr 2002. Eine Skulptur, die, wenn man sich von hinten nähert, vermeintlich einen unschuldig wirkenden knienden Buben in einem grauen Straßenanzug zeigt. Von vorne erkennt man, dass die Figur Adolf Hitler darstellt, in kniender Haltung mit zum Gebet gefalteten Händen. Von dieser Skulptur gibt es insgesamt drei Stück, die im Auftrag von Maurizio Cattelan vom Wachsfigurenhersteller Daniel Druet, einem Bildhauer aus Frankreich, produziert wurden. Eine weitere der drei Skulpturen besitzt die kanadische Künstlerin Ydessa Hendeles, Tochter zweier Auschwitz-Überlebender, die dritte der französische Unternehmer und Kunstsammler Francois Pinault.

Stefan Edlis starb im Oktober 2019 im Alter von 94 Jahren in Chicago. Einer seiner letzten Wünsche war, dass sein Pass mit dem Stempel „J“ für Jude im Jüdischen Museum Wien aufbewahrt wird. Die Ausstellung „Eine (un-)erfreuliche Reise. Stefan Edlis‘ Leben nach ihm“ ist von 13. April 2022 bis 2. Oktober 2022 im Jüdischen Museum Wien zu sehen.

Bild ganz oben: Stefan Edlis als Rennfahrer © Privatbesitz Gael Neeson