Vorhang auf für die Jägerstraßler

© Ute Fuith

Sie proben und lernen stundenlang Texte. Sie üben, wo sie stehen und wie Dialoge richtig gesprochen werden. In manchen Stücken müssen sie sogar singen. Doch all die Strapazen sind vergessen, sobald der Schlussapplaus erklingt. Das Repertoire der ambitionierten Laiendarstellerinnen reicht von Lugi Pirandello bis Johann Nestroy. Momentan wird Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“ geprobt. Das Access Guide Magazin war dabei.

Richter Adam ist verärgert. Sein Kopf brummt nach der nächtlichen Zecherei und zu allem Überfluss hat sich der Gerichtsrat Walter aus Utrecht angekündigt. „Wo ist bloß meine Perücke?“, murrt der angeschlagene Mann, der bravourös von Ernst Stummvoll gespielt wird. Der 80-Jährige ist seit fünf Jahren Mitglied der „Jägerstraßler“. Für die erste Probe nach der Sommerpause hat er sich gut vorbereitet. „Ich liebe das Theater“, erzählt der Pensionist. Und „ich steh gern auf der Bühne“. Seine Leidenschaft für die darstellenden Künste hat Stummvoll schon als Kind entdeckt: „Ich bin in einem Wirtshaus aufgewachsen und musste oft für unsere Gäste auf der Zither spielen”. Später kamen dann noch Heurigenlieder dazu und zahllose Einsätze als Statist. “Mit dem Textlernen quäl ich mich schon ein wenig”, gesteht Stummvoll, aber “zum Glück sind wir ein Lesetheater.”

Von Nestroy bis Sartre

Im Hintergrund tuscheln zwei Damen in Renaissance-Kleidern. Eine davon ist Romy Weik. Sie wollte eigentlich nur schnuppern kommen, ist aber nun auch schon einige Jahre bei den Jägerstraßlern. Sie spielt ebenfalls ein Instrument. In einer Nestroy-Produktion der Theatergruppe war sie mit ihrem Akkordeon für die Musik zuständig. Ein wahres Multitalent ist auch Veronika Kerschbaum. Als Prinzipalin ist sie seit mittlerweile elf Jahren für die Jägerstraßler tätig: „Ich kümmere mich um die Kostüme, die Requisiten und die Texte. Jeder bekommt seinen Text in der Schriftgröße ausgedruckt, die für ihn am besten lesbar ist“, erklärt die Theaterdirektorin. „Am Ende der Probenzeit können wir die Texte zwar meistens auswendig, aber wir spielen doch lieber mit Netz“. Neben ihrem Engagement für die Jägerstraßler, steht Veronika Kerschbaum auch auf anderen Bühnen wie dem „Odysseetheater“. Im Vorjahr war sie dort in Jean Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ zu sehen. „Ich spiele seit 30 Jahren Theater und es war mein Wunsch, noch einnmal, zum 70er, eine große Rolle zu spielen“, sagt Kerschbaum. Wegen des enormen Erfolgs gibt es im November noch zwei, weitere Aufführungen des Sartre-Stücks.

Die Jägerstraßler, die sich übrigens nach der Adresse ihres Probenlokals in der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen in Wien Brigittenau benannt haben, sind die Frauen in der Überzahl. Zum Glück gibt es aber Elfi Harsany, die gerne in Hosenrollen schlüpft: „Das Weibchen zu spielen hat mir auch im wirklichen Leben keinen Spaß gemacht“, sagt die pensionierte Kindergartenpädagogin und „das Theaterspielen begeistert mich seit je. Ich bin froh, Teil der Jägerstraßler zu sein“. Die Premiere von „Der zerbrochene Krug“ findet am 20. Oktober 2018 statt.

 

Termine:

„Der zerbrochene Krug” von H. v. Kleist

Premiere: 20. Oktober 2018 um 14.00 Uhr

Waldpension d. Hilfsgemeinschaft d. Blinden u Sehschwachen Österreichs

Prof. Robert Vogel-Straße 1, 2840 Grimmenstein

2840 Hochegg-Grimmenstein

 

23. 1. 2018 um 17 Uhr

Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs

Jägerstraße 36, 1200 Wien

Weitere Termine finden Sie hier.

 

Geschlossene Gesellschaft von  J.P. Sartre

10. und 11. November 2018 um 19 Uhr

Friedrich Eymann Waldorfschule   Festsaal 1. Stock

1130 Wien, Feldmühlgasse 26 / Ecke Auhofstraße