Eine einsame Insel irgendwo im Meer, weites Grasland in Afrika oder ein tropischer Wald? Die Teilnnehmer*innen von Eranos haben sich vorgestellt, welche Landschaft sie wären: Max* sieht sich etwa als „eine durchwachsene Savanne mit einem Dschungel und freundlichen, nicht hungrigen Tieren. Ich denke diese Beschreibung trifft auf mich zu, weil ich zum einen sehr verspielt bin und mir diese Umgebung außerdem als erstes in den Sinn gekommen ist. In der Savanne und im Dschungel gibt es sehr viel zu entdecken, wie zum Beispiel exotische Bäume, bunte Farben, Lianen, uralte Tempel, Bananen, Früchte, Höhlen, Sand, Wassergruben und eine große Vielfalt an Tieren, die man sonst nirgendwo sieht.
Ich habe diese Inspiration aus diversen Abenteuer- oder Animationsfilmen wie etwa dem Dschungelbuch oder anderen Disney Filmen. Auch in vielen Computerspielen und Serien kommen immer wieder diese Landschaften vor, da sie in meinen Augen einen sehr guten Wiedererkennungswert haben und wahrscheinlich deshalb immer wieder verwendet werden. In diesen Filmen oder Abenteuern aus einem Videospiel begeben sich die Charaktere meist auf eine spannende Reise in schönen Landschaften und stellen sich schwierigen Herausforderungen. Das gilt auch auf mich: Ich bin ebenfalls sehr abenteuerlustig und liebe die Abwechslung. Wenn jemand mich bewohnen könnte, könnten diese Personen sich auf sehr viel freuen, von Abenteuerhöhlen bis hin zu Entdeckungsreisen und freundlichen Tieren, die einem weiterhelfen, wenn man die Orientierung verloren hat. Man soll sich einfach mit mir wohlfühlen und Spaß haben. Man kann mit mir sehr viel unternehmen und bin immer für neue Sachen bereit, die Spannung ist mit mir“.
Das Recht des Stärkeren
Wrexers* Vorstellung von sich selbst als Landschaft ist eine Insel. Sie liegt „irgendwo im Meer, weit abgelegen vom Festland. Auf mir gibt es alle Arten von Pflanzen und Tieren. Es ist ein harsches Gebiet, auf dem konstant das Recht des Stärkeren gilt. Da ragt ein riesiger Berg empor, umgeben von gewaltigem, unwirtlichen Felsgrat. Dieser Berg steht im Zentrum der Insel, je nach Tageszeit überschattet er einen anderen Teil der Insel. Die Bepflanzung hat sich an diesen Umstand gewöhnt. Die Bäume haben eine stärkere Rinde, die Wurzeln der Pflanzen reichen tiefer und weitflächiger als gewöhnlich. Manche sind giftig, manche haben eine heilende Wirkung. Die Früchte, die an Sträuchern und Bäumen hängen, verströmen einen süßlichen Geruch. Die Tiere, die die Insel bewohnen sind alle scheu und aggressiv, wenn man ihnen zu nahe kommt.
Die Insel ist eine Augenweide, aber hier zu überleben kostet Kraft und Köpfchen. Seltene Tiere und solche die es eigentlich gar nicht geben sollte, bewohnen jede Höhle und jeden Felsen. Die Tiere, sich der giftigen Pflanzen bewusst, fressen sich gegenseitig. Vereinzelt findet man Gerippe oder verwesendes Fleisch. Ein leicht bitterer Geruch kommt hinzu. Die Insel ist historisch, die Insel ist alt. Die Insel stammt aus einer Zeit, in der noch alles eins war. Die Insel kümmert sich nicht um die Probleme des Festlands. Das Festland hält sich von der Insel fern. Die Bewohner des Festlands haben verschiedenste Mythen und Legenden rund um diese Insel erfunden. Es gibt nur ein Schiff, dass diese Insel anfährt. Und das Schiff fährt nur los, wenn es von der Insel gestattet wird. Es liegt am Hafen der Insel. Menschen, die diese Insel betreten, sind meistens sehr erstaunt, welche Farbenpracht vorhanden ist. Aber schnell wird klar, dass dieses Gebiet sehr gefährlich sein kann. Die meisten Besucher verschwinden wieder. Für die Abreise braucht es keine Erlaubnis. Die, die bleiben, lernen wie die Tiere, wovor man sich hüten und welche Früchte giftig sind.
Wenn man die richtigen Ecken und Enden kennt, wenn man weiß, wie man mit den Tieren, die mich bewohnen, umgehen kann und weiß, welche Pflanzen nicht giftig sind, ist es ein sehr schöner Ort. Wenn man den Strand morgens im Osten entlanggeht, sieht man den Sonnenaufgang. Macht man sich abends ein Lagerfeuer am westlichen Strand, hat man einen wunderschönen Sonnenuntergang. Untertags kann es sehr warm werden. Auch die Tiere merken das. Manche verziehen sich tiefer in einer kühlen Höhle, andere kommen aus ihren Verstecken heraus und baden im Sonnenlicht. Nachts ist es kalt. Sehr kalt. Nachts sieht man kein Tier. Alle Pflanzen verstecken ihre Blüten und durch das fehlende Sonnenlicht können nicht einmal die Giftpflanzen ihre Signalfarben zeigen. Nachts ist die Insel nicht sehr schön“.
*Max und Wrexer (Namen geändert) sind Teilnehmer von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.