Die Ausstellung „The Cindy Sherman Effect“ im Bank Austria Kunstforum Wien beschäftigt sich mit dem Themenkomplex Identität und Transformation in der modernen Kunst. Ausgehend vom Werk der US-amerikanischen Künstlerin und Fotografin Cindy Sherman haben zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler kulturelle, geschlechterspezifische oder sexuelle Stereotypen untersucht. Dabei wird die Konstruktion von Identitäten kritisch und zum Teil provokativ und verstörend hinterfragt. Shermans Charaktere, die bereits in den 1970er Jahren entstanden, spiegeln unsere zeitgenössische Kultur mit ihren Selfmade-Berühmtheiten, den Realityshows und dem Social-Media-Narzissmus wider. Die Künstlerin zeigt mit ihrer großen Bandbreite an Szenarien, dass die Künstlichkeiten solcher Identitäten, die oftmals erst durch die Darstellung – etwa in Film und Fotografie – entstehen, dazu führen, dass Identität mehr denn je wählbar, konstruiert und nach Bedarf formbar, aber doch von gesellschaftlichen Normen bestimmt ist. Zugleich werden die neuen Möglichkeiten des heutigen Individuums sich selbst neu zu erschaffen, mit subtilen Mitteln kritisch hinterfragt.
Die Thematisierung von Identität, Selbstbildnis, Rollenspiel und Sexualität fand vorwiegend durch Künstlerinnen der 1960er- und 1970er-Jahre im Zuge der Frauenbewegung Eingang in die Kunst. Sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kunst ereignete sich in den späten 1960er-Jahren eine tiefgreifende Umwälzung gesellschaftlicher Normen und kultureller Gewissheiten. Die sich im Zuge dieser Ereignisse ankündigende Auflösung der bisherigen Normen und Kategorien – sei es weiblicher, männlicher, queerer Identitäten – kreierte Freiräume zur Erschaffung neuer Modelle abseits der bisher gültigen Normen. Dieser Prozess, der maßgeblich auf medialer Ebene begleitet wurde und wird, ermöglicht es zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern neue Modelle von Identität zu schaffen, die Transformation der Geschlechter zu thematisieren und auf soziale und politische Herausforderungen zu reagieren.
Bevorzugtes Ausdrucksmittel wurden die vergleichsweise jungen Medien Fotografie, Film und Videokunst. Cindy Sherman, Ikone der Kunstgeschichte seit den 1980er-Jahren, demonstriert bereits mit ihrer ersten bedeutenden Serie „Untitled Film Stills“ (1977–1980) den Bruch zwischen authentischer Selbstdarstellung und Inszenierung, indem sie die Betrachtenden mit dem Paradox einer Verweigerungsstrategie konfrontiert. So inspiriert Sherman nachfolgende Generationen dazu, die Thematik Identität und Transformation in diversen Medien zu erkunden, ohne jedoch selbst einmal die erarbeiteten künstlerischen Verfahrensweisen zu verändern. Die Ausstellung „The Cindy Sherman Effect. Identität und Transformation in der zeitgenössischen Kunst“ thematisiert in erster Linie die Perspektiven, die Cindy Sherman nachfolgenden Generationen von Künstlerinnen und Künstlern durch ihre Demaskierungsstrategien eröffnete, indem sie mit ihrem Spiel der Darstellung von gesellschaftlichen Bildern und Klischees Freiräume schuf, die nachfolgende Positionen nutzten, um die Hinterfragung von Identität in künstlerischer, gesellschaftlicher und politischer Hinsicht voranzutreiben. Zu den in der Ausstellung vertretenen Künstlerinnen und Künstlern zählen u.a. Elke Krystufek, Catherine Opie, Pipilotti Rist, Julian Rosefeldt oder Eva Schlegel. Die Ausstellung ist noch bis 21. Juni 2020 im Kunstforum Wien zu sehen.