Adipositas ist weltweit ein ernstes Gesundheitsproblem und ein Risikofaktor für viele Krankheiten. Im November widmet sich das Access Guide Magazin schwerpunktmäßig diesem Thema.
An der MedUni Wien wurde ein neuer Faktor für eine mögliche therapeutische Strategie bei Adipositas entdeckt. Ein Team von Wissenschaftler*innen konnte gemeinsam mit Forscher*innen aus Polen, Deutschland, Australien und Österreich jene Signalwege aufdecken, die für die Entstehung eines nützlichen Typs von Fettgewebsmakrophagen bei Adipositas verantwortlich sind, der die Lipotoxizität verhindert. Die Lipotoxizität ist jener Prozess, bei dem sich Fettmoleküle in nicht-adipösem Gewebe ablagern. Die Studie wurde vor kurzem im Wissenschaftsmagazin „Nature Metabolism“ veröffentlicht.
Konkret untersuchten die Forscher*innen in der aktuellen Studie den PI3K-Signalweg. Dieser ist ein zentraler Stoffwechselregulator, da er die Fettspeicherung reguliert und für die zelluläre Reaktion auf das Hormon Insulin von zentraler Bedeutung ist. Bei Adipositas führt eine verminderte Insulinaktivität oder Insulinresistenz zu Typ-2-Diabetes, der mit hohen Blutzuckerspiegeln einhergeht.
Gernot Schabbauer vom Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung am Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien und Seniorautor der Studie beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit dem PI3K-Signalweg in Immunzellen: „Die entscheidende Rolle von PI3K im Stoffwechsel ist erwiesen, aber seine Rolle bei den Fettgewebsmakrophagen war bisher nicht klar.“ Julia Brunner, Ko-Erstautorin der Studie, fügt hinzu: „ATMs sind wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde – sie können bei Adipositas gut oder schlecht sein. Wir nahmen an, ein aktiver PI3K-Signalweg könnte die Balance zum Guten kippen.“
Die Wissenschafter*innen konnten mit Hilfe von Verfahren wie Mehrfarben-Durchflusszytometrie, Lipidomik, Zellatmungstests und in mehreren Tiermodellen aufdecken, dass die anhaltende Aktivität des PI3K-Signalwegs das Gleichgewicht innerhalb der Makrophagen „zum Guten“ kippen kann: Es entstehen dabei nämlich spezialisierte ATMs, die sich durch erhöhte Mengen des Fressrezeptors Marco (Makrophagenrezeptor mit kollagener Struktur) auf ihrer Oberfläche auszeichnen.
„Wir haben herausgefunden, dass diese Marco -exprimierenden ATMs professionelle Lipid-Esser sind. Diese Zellen nehmen Marco -abhängig Fett auf und bauen es ab, wodurch verhindert wird, dass es in den Blutkreislauf gelangt“, erklärt Andrea Vogel, Ko-Erstautorin der Studie und Doktorandin der Immunologie an der MedUni Wien. Omar Sharif, Ko-Senior-Autor der Studie, fügt hinzu: „Metabolisches Syndrom und Lipotoxizität sind Kennzeichen der Adipositas. Unsere Arbeit deutet darauf hin, dass eine erhöhte Lipidaufnahme und ein verbesserter Energiestoffwechsel der ATMs zur Erhaltung der Gesundheit des systemischen Stoffwechsels beiträgt. Dies kann weitreichende Auswirkungen auf eine Vielzahl von Stoffwechselkrankheiten haben.“
In anschließenden Studien soll nun festgestellt werden, ob die PI3K-Signalgebung die ATM-Population auch beim Menschen nachhaltig beeinflussen kann. „Obwohl eine moderate Hemmung von PI3K bereits als therapeutische Strategie für die Behandlung von Stoffwechselkrankheiten diskutiert wurde, deuten unsere Daten auf mögliche unerwartete Nebenwirkungen hin. Diese könnten sich durch veränderte Blutfettwerte äußern, hervorgerufen durch eine verminderte Fettaufnahme der ATMs“, sagt Schabbauer.