Ruth Schleicher ist „Zirkusdirektorin“ aus Leidenschaft. Mit viel Herzblut leitet sie gemeinsam mit ihrem Vater Tilmann den von ihm 1991 gegründeten Circus KAOS. Dort werden jährlich 350 junge Artistinnen und Artisten ausgebildet. Willkommen sind alle, die Lust auf Bewegung und Geschichtenerzählen haben.

Hoch oben an der Decke der sechs Meter hohen Turnhalle schlängeln sich fünf junge Mädchen an Tüchern, die von der Decke bis zum Boden reichen. Unten sitzt das Publikum der Neuen Sportmittelschule Kaisermühlendamm und schaut fasziniert den Akrobatinnen zu, wie sie feengleich und virtuos über dem Boden schweben. Dann kommen Einradfahrerinnen und Einradfahrer, die in rasantem Tempo ein paar Runden durch den Saal drehen. Gleichzeitig werden Räder geschlagen und Saltos gemacht oder ein schwindelerregender Menschenturm errichtet. Auch für Kinder mit Behinderungen gibt es Platz in der Vorstellung. So balanciert ein blindes Mädchen äußerst wagemutig auf einem Seil und macht ein paar spektakuläre Purzelbäume. „Im Circus KAOS sind alle willkommen“, erklärt Ruth Schleicher, denn „bei uns zählen Gemeinschaft, Solidarität und individuelle Entwicklung“.

Für die außergewöhnlich gut besuchte Veranstaltung in der NSMS in Wien 22 haben die jungen Artistinnen und Artisten ein Jahr lang geübt und trainiert. Was dabei herauskam, ist ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk: „Jeder und jede ist wichtig und trägt seinen oder ihren Teil zu einer gelungen Aufführung bei“, erklärt Ruth Schleicher. Die Bezeichnung KAOS hat übrigens nichts mit Chaos zu tun. Ganz im Gegenteil: „Das griechische Wort Kaos bedeutet „Vielfalt“ und das ist auch unser pädagogisches Programm: Bei uns können Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichwertig neben und miteinander leben und lernen. Der Circus KAOS erschafft über das Medium Zirkus einen Ort, in dem junge Menschen ihre persönlichen Ziele definieren können und von den Betreuerinnen und Betreuern dabei unterstützt werden, diese auch zu erreichen“, erklärt Schleicher. Was im Circus KAOS keinen Platz hat, ist Animation und Konsumation. „Unsere Artistinnen und Artisten werden mittels Eigenverantwortlichkeit und Selbstwirksamkeit im sozialen Zusammenhang in ihrem künstlerischen Ausdruck begleitet“, sagt die Zirkusdirektorin.

Erwachsene Zirkusbegeisterte können seit 2001 die Zirkusakademie Wien besuchen. Dieses Angebot haben in den vergangenen 17 Jahren mehr als 600 Menschen in Anspruch genommen. Seit vorigem November ist die Zirkusakademie Ö-Cert zertifiziert und entspricht somit dem bundesweiten Qualitätsrahmen für Erwachsenenbildung. 2012 wurde auf Initiative von Ruth und Tilmann Schleicher der Österreichische Bundesverband für Zirkuspädagogik (ÖBVZ) gegründet. Er ist sowohl die Interessensvertretung aller im zirkuspädagogischen Bereich tätigen Organisationen und Personen, als auch eine Plattform zur Vernetzung und zum Austausch dieser Initiativen. Mehr über den Circus KAOS erfahren Sie hier.